Thema: Industriekultur und Denkmalpflege
Ministerium für Bildung und Kultur | Industriekultur

Halberger Hütte und Halberg
(Stummsches Reich)

Im Jahr 1756 ließ Wilhelm-Heinrich von Nassau-Saarbrücken die Obere Brebacher Mühle in ein Eisenwerk umbauen. Dies ist der Beginn der Geschichte der Halberger Hütte. Anfangs wurde die Hütte von wechselnden Pächtern betrieben und produzierte Waren aus Gusseisen wie Töpfe und Ofenplatten. Nach der Besetzung des Fürstentums Nassau-Saarbrücken durch Revolutionstruppen ging die Hütte 1793 in französisches Staatseigentum über. Im Jahr 1809 übernahm eine Gesellschaft unter Führung der Gebrüder Stumm aus Neunkirchen das Hüttenwerk. Ab 1860 waren die Stumms zunächst Alleineigentümer der Hütte, bis Carl Ferdinand Stumm das Werk an die Gebrüder Böcking verkaufte. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten der Gebrüder Böcking – bedingt durch hohe Investitionen in die Neuanlage des Werkes sowie die Krise, die 1873 der Hochkonjunktur nach der Reichsgründung folgte, – hatte Carl Ferdinand Stumm die Hütte wieder zurückgekauft, seinem Schwager Rudolph Böcking jedoch die Unternehmensleitung überlassen. Die Halberger Hütte entwickelte sich auch Dank der Eisenschutzzölle ab 1878 zu einem Großunternehmen. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm infolge der geänderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die französische „Société Anonyme des Hauts-Fourneaux et Fonderies de Pont-à-Mousson“ die Mehrheitsanteile an der Halberger Hütte. 1972 ging das Unternehmen in Gänze an die „Pont-à-Mousson S.A.“. Zu dieser Zeit erfolgte die Spezialisierung auf die Produktion von gusseisernen Rohren und Fahrzeugteilen. Die Halberger Hütte wurde schließlich in zwei unabhängige Unternehmungen ausgesplittet. 1988 erfolgte die Ausgliederung der Maschinengusssparte im Automobilbereich in die eigenständige Halberg-Guss. Es folgten weitere Veräußerungen und Umfirmierungen des Unternehmens – u.a. ab 2011 als Neue Halberg-Guss GmbH und ab 2019 als Gusswerke Saarbrücken GmbH – sowie die endgültige Schließung zum 30.06.2020. Das zweite Unternehmen ist die Saint-Gobain PAM Deutschland GmbH, Marktführer für Gussrohrsysteme in Deutschland. Die Herstellung und der Vertrieb von Rohrleitungssystemen bilden das Kerngeschäft mit Produkten wie Rohrsystemen, Armaturen und Schachtabdeckungen.

Auch wenn das Hüttengelände selbst nicht öffentlich zugänglich ist, so werden doch zahlreiche industriekulturelle Zeugnisse mit Bezug zur Halberger Hütte in deren unmittelbarem Umfeld sowie am Halberg durch den Rundweg „Historischer Halberg – Halberg History Tour“ erschlossen:

Carl Ferdinand Stumm (1836-1901), Eigentümer des Neunkircher Eisenwerkes, wurde bei der Suche nach einem geeigneten Standort für ein neu zu errichtendes repräsentatives Herrenhaus am Halberg fündig. Dort erwarb er gegen den Widerstand der Städte Saarbrücken und St. Johann im Jahr 1877 von der „Königlich-Preußischen Forstverwaltung“ den gesamten Halberg. Hier hatte bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein kleines Lustschloss des Grafen Ludwig Kraft gestanden, das 1793 von den französischen Revolutionstruppen zerstört wurde. Stumm ließ nach den Plänen des Hannoveraner Architekten Edwin Oppler (1831-1880) in den Jahren 1877-1880 einen repräsentativen Wohnsitz, das „Schloss Halberg“, errichten. Der Standort, an dem bereits die Saarbrücker Fürsten residierten, war ideal, die Macht des „Hüttenbarons“ Stumm, der im Jahr 1888 zum Freiherrn von Stumm ernannt wurde, zu demonstrieren. Das Schloss zählt heute zu den interessantesten Zeugnissen des Historismus an der Saar. Nach der „Ära Stumm“ ging das Schloss 1939 an die Reichsrundfunkgesellschaft, ab 1946 diente es als Residenz von Gilbert Grandval (1904-1981). Er war französischer Militärgouverneur (1945-1948), Hoher Kommissar (1948-1952) und Botschafter Frankreichs (1952-1955) im Saarland. Grandval war ein erklärter Gegner der Neogotik, was ursächlich für das heutige „bereinigte“ Erscheinungsbild der Fassaden ist. Nach den kriegsbedingten Schäden ließ er die zerstörten Spitzgiebel, Türmchen und Gesimse nicht wieder herstellen. 1958/59 übernahm der Saarländische Rundfunk das Anwesen. Seitdem ist es Sitz der Intendanz.

„Schloss Halberg“ „Schloss Halberg“
Das in den Jahren 1877-1880 als repräsentativer Wohnsitz der Familie Stumm errichtete „Schloss Halberg“ diente ab 1946 als Residenz von Gilbert Grandval. Der erklärte Gegner der Neogotik ließ nach den kriegsbedingten Schäden die zerstörten Spitzgiebel, Türmchen und Gesimse nicht wieder herstellen, was ursächlich ist für das heutige „bereinigte“ äußere Erscheinungsbild ist. Seit 1958/59 ist das Gebäude Sitz der Intendanz des Saarländischen Rundfunks. Foto: Landesdenkmalamt, Kristine Marschall

Im Außenbereich des Schlosses befinden sich das ehemalige Gärtnerhaus und das ehemalige Beamtenwohnhaus/Rentamt. Den Zugang zum eigentlichen Schlossbereich ermöglicht der symmetrische Torbau, bestehend aus einem Mittelteil mit Kutschendurchfahrt und turmartigem Aufbau, seitlichen Fußgängerdurchlässen und zwei außen anschließenden Wohnhäusern für Pförtner und Dienerschaft. Der Remisenbau (Marstall) und der Wasserturm sind dem SR-Sendesaal gewichen.

Die Familie Stumm unterhielt zunächst eine Erbbegräbnisstätte in Neunkirchen-Sinnerthal. Als die Familie im Jahr 1880 von Neunkirchen nach Schloss Halberg übergesiedelt ist, wurde ein weiterer Privatfriedhof für die Familie Stumm angelegt. Ein Obelisk aus rotem Syenit bildet das Zentrum der 2009 sanierten Anlage. Bei den gusseisernen Grabkreuzen handelt es sich um Nachgüsse aus dem Jahr 2010 für die zuvor entwendeten Originalkreuze. Diese waren in Form und Schriftart identisch mit denen der Begräbnisstätte in Neunkirchen. Auf dem Friedhof sind u.a. Carl Ferdinand von Stumm und seine Gemahlin Ida Charlotte Stumm, geborene Böcking, bestattet.

Nachdem Carl Ferdinand Stumm das Halbergareal 1877 erworben hatte, wurde die Öffentlichkeit durch eine Umzäunung ausgesperrt. Zugang wurde nur an den mit Pförtnerhäusern ausgestatteten Toren gewährt. Das Pförtnerhaus (etwa um 1882) an der Stummstraße markiert gemeinsam mit der Stummschen Kirche die Eingangssituation zum Stummschen Anwesen am Fuße des Halbergs.

Die neoromanische Stummsche Kirche ließ Carl Ferdinand Stumm in den Jahren 1881/82 nach den Plänen von Ferdinand Schorbach (1846-1912) errichten. Seitdem war es den evangelischen Einwohnern Brebachs möglich, den Gottesdienst im eigenen Ort zu besuchen. Das Nordportal, dessen Giebelfeld das Stummsche Wappen mit dem Baudatum zeigt, wurde eigens für die Familie Stumm geschaffen. 1936 schenkten die Stumm-Erben die Kirche der Pfarrgemeinde Brebach. Die Kirche wurde 1972/73 profaniert und ging schließlich in Privatbesitz über. Seitdem hatte die Bausubstanz durch Umbauten und mangelnde Unterhaltung stark gelitten. In den Jahren 1996-2001 erfolgten umfangreiche Sanierungsarbeiten durch die staatliche Denkmalpflege.

Stummsche Kirche Brebach Stummsche Kirche
Die Stummsche Kirche ließ Carl Ferdinand Stumm in den Jahren 1881/82 erbauen. Sie ermöglichte es den evangelischen Einwohnern Brebachs, den Gottesdienst im eigenen Ort zu besuchen. Die Kirche wurde 1972/73 profaniert. In den Jahren 1996-2001 erfolgten umfangreiche Sanierungsarbeiten durch die staatliche Denkmalpflege. Foto: Landesdenkmalamt, Kristine Marschall

Die Hämmer und Blasebälge der Hütte wurden zunächst durch Wasserkraft angetrieben. Hierzu wurde der Scheidter Bach zum Halbergweiher aufgestaut. Neben seiner Funktion als Wasserreservoir war der Weiher zugleich Bestandteil der fürstlichen Parkanlagen. Der Weiher versumpfte im Laufe der Zeit und wurde um 1953 trockengelegt.

Auf der gegenüberliegenden Talseite des sogenannten Kolbenholzes liegt die Arbeitersiedlung „Altes Werk“ mit dem früheren Schlafhaus und Arbeiterhäusern. Die im 18. Jahrhundert oberhalb des Werksgeländes errichteten Arbeiterhäuser sind nicht mehr erhalten. Die heutige Bebauung ließ die Werksleitung zwischen 1871 und 1909, einige Häuser erst 1950, errichten. Das Schlafhaus wurde 1913 erbaut.

Oberhalb der Siedlung liegt die Villa Böcking. Sie bildet einen deutlichen Kontrast zu den einfachen Arbeiterhäusern und geht auf Rudolph Böcking, den Schwager von Carl Ferdinand Stumm, zurück. Heute wird die Villa als Gästehaus des Unternehmens Saint-Gobain PAM Deutschland GmbH genutzt.

Hinter der Arbeitersiedlung „Am Alten Werk“ erheben sich die Schlackenhalden der Halberger Hütte, die belegen, dass die Hütte neben dem gesellschaftlichen Leben und dem Siedlungsbild auch die umgebende Landschaft deutlich geformt hat.

Das Auguste-Viktoria-Haus ließ Carl Ferdinand Stumm 1894 an der Saarbrücker Straße als Krankenhaus für die Betriebsangehörigen erbauen. Die Gemahlin von Kaiser Wilhelm II. war Namensgeberin. 1895 nahm das mit 40 Betten ausgestattete Haus den Betrieb auf. 1905 wurde, nachdem das Kaiser-Wilhelm-Hospital als Knappschaftsklinik fertig gestellt war, der Krankenhausbetrieb eingestellt. Heute ist das Gebäude Sitz der Polizeibezirksinspektion Saarbrücken-Brebach.

Die an der Stumm- und der Elisabethstraße zwischen 1908 und 1925 erbauten Mietshäuser für Werksangehörige bilden das sogenannte „Villenviertel“. Sie sind deutlich aufwändiger gestaltet als die Gebäude der Arbeitersiedlung „Am Alten Werk“. Einige Bauelemente dokumentieren noch den Einfluss des Jugenstils.

Delf Slotta
Referatsleiter G2 - Grundsatzangelegenheiten Industriekultur

Trierer Straße 33
66111 Saarbrücken