Thema: Industriekultur und Denkmalpflege
Ministerium für Bildung und Kultur | Industriekultur

Becker-Brauerei St. Ingbert

Die Geschichte der Becker-Brauerei beginnt im Jahr 1877, als die Gebrüder Becker – Friedrich (Brauer), Georg (Küfer) und Karl (Kaufmann) – die in Zahlungsschwierigkeiten geratene Brauerei Gros (Kaiserstraße 101), genannt „Die Alte Brauerei“, erwarben. Da der Standort aufgrund der räumlichen Enge keine Erweiterungsmöglichkeiten bot, wurde 1897/98 auf der östlich des Stadtgebietes gelegenen Anhöhe „Hobels“ ein Neubau (Kaiserstraße 170-174) errichtet. Der wirtschaftliche Erfolg der Brauerei machte noch vor dem Kriegsbeginn 1914 erste Erweiterungen erforderlich. Maßgeblich geprägt hat den Brauereistandort jedoch die zweite Bauperiode in den 1920er Jahren mit umfassenden Modernisierungen und Erweiterungen.

Prägendes Element und Kernstück ist hierbei der 41 Meter hohe Sudturm der Brauerei, der sogenannte „Becker-Turm“, der seitdem die Silhouette der Stadt St. Ingbert bestimmt und sofort zum Wahrzeichen der Stadt avancierte. Der zwischen 1925 und 1927 vom Stuttgarter Architekten Hans Herkommer (1887-1956) – einem der führenden Vertreter des katholischen Kirchenbaus in Deutschland – erbaute Sudturm ist eine architektonische Meisterleistung. Der neungeschossige Turm wurde aus inzwischen in die Industriearchitektur Einzug gehaltenem Stahlbeton errichtet. Der an der Basis wuchtige Turmkörper verjüngt sich nach oben und wird dort in asymmetrisch versetzte Kuben aufgelöst. Der untere Teil des Sudturmes wird durch schmale, hohe Fensterschlitze mit spitzen Dreiecksabschlüssen geprägt. Im oberen Turmteil bilden querrechteckige Fensterformate ein Gegengewicht. Während sich im obersten Geschoss eine Aussichtsplattform und im darunter liegenden Geschoss das Braustübl befindet, beherbergen die sieben unteren Geschosse die eigentliche Brauereitechnik.

„Becker-Turm“ St. Ingbert „Becker-Turm“
Prägendes Element der Brauerei ist der zwischen 1925 und 1927 erbaute 41 Meter hohe Sudturm, der sogenannte „Becker-Turm“, der seitdem die Silhouette der Stadt St. Ingbert bestimmt. Der Hochkamin (rechts im Bild) wurde im Jahr 2013 gesprengt. Foto: Landesdenkmalamt, Reinhard Schneider

Die brautechnische Inneneinrichtung, die von Prof. Theodor Ganzenmüller (1864-1937) entworfen wurde, stellt eine brautechnische Meisterleistung dar. Ganzenmüller war Hochschullehrer an der Königlich Bayerischen Akademie für Landwirtschaft und Brauereien in Weihenstephan. Er revolutionierte mit der Einführung der Dampfmaschine das Brauereiwesen, indem er die Direktbefeuerung der Braukessel durch Dampfbefeuerung ersetzte, was ihm den Spitznamen „Dampf-Theo“ einbrachte. Die einzelnen Etagen des Sudturmes in St. Ingbert bilden die einzelnen Schritte des Brauprozesses ab. Das Malz gelangte über eine Vakuumpumpe zum 7. Stockwerk. Von dort lief der Brauprozess ohne weitere Energiezufuhr von oben nach unten selbstständig ab.

Braukessel Becker-Brauerei St. Ingbert Braukessel
Die brautechnische Inneneinrichtung wurde von Prof. Theodor Ganzenmüller entworfen und stellt eine brautechnische Meisterleistung dar. Die einzelnen Etagen des Sudturmes in St. Ingbert bilden die einzelnen Schritte des Brauprozesses ab. Das Malz gelangte über eine Vakuumpumpe zum 7. Stockwerk. Von dort lief der Brauprozess ohne weitere Energiezufuhr von oben nach unten selbstständig ab. Im Sudraum haben sich die Braukessel erhalten. Foto: Landesdenkmalamt, Kristine Marschall

Gemeinsam mit dem Sudturm wurden weitere Funktionsgebäude wie Maschinenhaus, Kellereien, Magazin, Kesselhaus, Werkstätten, Garagen und ein Hochkamin errichtet. Die Baukörper wurden nicht, wie zuvor üblich, axial angeordnet, sondern stattdessen nach Funktionen getrennt in Form einzelner Höfe angeordnet. Diese wurden unterschiedlich gestaltet, folgen jedoch mit ihren kubischen Formen einem übergeordneten geometrischen Zusammenhang.

1989 erfolgte die Eingliederung der Becker-Brauerei in den Karlsberg-Verbund. 1997 endet die Produktion am Brauereistandort St. Ingbert.

Ab Ende 1997 ist auf dem 71.000 qm großen ehemaligen Brauereigelände der „Innovationspark am Beckerturm“ entstanden, dessen Wahrzeichen noch immer der Sudturm der ehemaligen Brauerei ist. Dieser wurde aufwändig renoviert und seine Fassaden erneuert. Der Innovationspark ist ein gelungenes Beispiel der Revitalisierung eines innerstädtischen Altindustrieareals unter behutsamer Integration der historischen Bausubstanz.