Thema: Industriekultur und Denkmalpflege
Ministerium für Bildung und Kultur | Industriekultur

„Groussgasmaschinn“ und Luxembourg Science Center in Differdange

Das Industriezeitalter in Luxemburg begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Eisen- und Stahlindustrie. Sie basierte auf den Eisenerzlagerstätten der Minette. Das phosphorreiche Erz konnte nach der Einführung des Thomas-Verfahrens endlich zur Stahlproduktion verwendet werden. Während Luxemburgs Nachbarländer über Kohle und daraus hergestellten Koks verfügten, musste das Großherzogtum Energierohstoffe importieren.

Diesem Mangel sollte durch Großgasmaschinen abgeholfen werden. Hierbei kam dem Stahlwerk in Differdange eine Pionierrolle zu, indem es das in den Hochöfen entstehende Gichtgas als Energieressource nutzte. Zudem gehörte die Gaszentrale in Differdange zu den größten weltweit. Vor 1860 war das im Hochofenprozess anfallende Gichtgas ein Abfallprodukt. Später wurde es genutzt, um Wasserdampf für den Betrieb der Dampfmaschinen zu erzeugen. Im Jahr 1896 hatte man beschlossen, statt der Dampfmaschinen sogenannte Gasmaschinen einzusetzen, bei denen der Zwischenprozess der Dampferzeugung entfällt. Das Gas konnte in einem Verbrennungsmotor nun direkt in Energie umgewandelt werden. Diese Energie wurde verwendet, um mittels Gebläsen Luft in die Hochöfen einzublasen, aber auch um Strom zu erzeugen.

1896 wurde in Differdange ein erster 60 PS starker Gasmotor installiert. Im Jahr 1899 folgten neun weitere Gasmotoren mit bereits je 600 PS. 1905 wurde schließlich ein eigenes Gebäude für die Gaszentrale errichtet. Das monumentale neo-klassizistische Bauwerk mit Arkaden, Fresken und dekorativen Bodenfliesen sollte auch potenzielle Kunden und Geschäftspartner beeindrucken. So fungierte es neben seiner eigentlichen Funktion als Maschinenhalle zugleich als „Show-Room“ des Unternehmens.

Zwei Jahre später wurde der Maschinenbestand um 1.250 PS starke Motoren ergänzt. Im Jahr 1937 erfolgte schließlich die Bestellung einer 1.100 t schweren und 7.000 KW starken Gasmaschine. Der Gasmotor Nummer 11 bzw. die „Groussgasmaschinn“ (GGM 11) ist die größte konventionell mit Gas betriebene Antriebsmaschine weltweit. Der mechanische Teil der Maschine stammt aus der Produktion der Saarbrücker Maschinenbaufirma Ehrhardt & Sehmer, das Schwingrad stammt von Siemens aus Berlin. Es hat einen Durchmesser von 11 m, wiegt 350 t und erreichte 94 Umdrehungen pro Minute. Die in Einzelteilen angelieferte Maschine wurde vor Ort zusammengebaut und konnte erst im Jahr 1942 ihren Betrieb aufnehmen. Die Gaszentrale in Differdange beherbergte zu diesem Zeitpunkt insgesamt 14 Gasmaschinen, wobei die „Groussgasmaschinn“ die größte war. Pro Schicht kümmerten sich rund 12 Personen um Betrieb und Wartung der Maschine. Zur besseren Erreichbarkeit der Ventile befanden sich zwei Wartungsebenen unterhalb der Maschine. 1979 wurde die Maschine stillgelegt.

Während ihre Vorläufer allesamt verschrottet wurden, konnte die „Groussgasmaschinn“ erhalten werden. Neben der „Groussgasmaschinn“ haben sich in der Gaszentrale auch zahlreiche überdimensioniert wirkende Werkzeuge zur Wartung der Maschine erhalten, deren Größe der Maschine geschuldet ist. 2007 wird die „Groussgasmaschinn“ unter Denkmalschutz gestellt. Im Jahr 2018 folgt die Unterschutzstellung der Gaszentrale aus dem Jahr 1905.

2007 gründet sich die „Association Groussgasmaschinn“, die später in „Luxembourg Science Center (Groussgasmaschinn)“ umbenannt wurde. 2012 wurde mit den Sanierungsarbeiten an der „Groussgasmaschinn“ begonnen. Die „Groussgasmaschinn“ und das Gebäude der Gaszentrale bilden die historischen Säulen des 2017 eröffneten „Luxembourg Science Centers“.

Das „Luxembourg Science Center“ möchte durch wissenschaftliche und technologische Förderung junge Menschen sensibilisieren und sie bei der Berufsorientierung unterstützen. Es richtet sich aber gleichzeitig auch an die breite Öffentlichkeit. In einer Ausstellung finden die Besucherinnen und Besucher über 70 interaktive mehrsprachige Experimentierstationen zu naturwissenschaftlichen und technischen Fragestellungen. Daneben werden vom wissenschaftlichen Personal Experimente vorgeführt. Die Besucherinnen und Besucher verlassen im Luxembourg Science Center die Perspektive des Beobachters. Sie werden aktiv in das Ausstellungskonzept eingebunden und zum Mitmachen animiert. Verschiedene Fragestellungen können in Workshops und Wissenschaftsshows vertieft werden.