Thema: Industriekultur und Denkmalpflege
Ministerium für Bildung und Kultur | Industriekultur

„Alte Schmelz“ in St. Ingbert

Das Ensemble der „Alten Schmelz“ zählt zu den wichtigsten Industriedenkmälern des Saarlandes. Es dokumentiert 250 Jahre Industrie-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Im Einzelnen haben sich eine denkmalgeschützte Siedlung, diverse Werksanlagen und ein ehemaliger Park erhalten. Die erhaltenen Sachzeugnisse entstammen dem 18., 19. und 20. Jahrhundert. Sie belegen in eindrücklicher Weise gleichermaßen technische Innovation, den sozialen Wandel sowie die Veränderungen in den allgemeinen und politischen Verhältnissen im Land an der Saar vom 18. Jahrhundert bis in die Jetztzeit.

Das St. Ingberter Eisenwerk wurde von Conrad Lehnen, Carl Gottbill und Joseph Loth gegründet. Das Werk nahm 1733 seinen Betrieb auf. Die frühindustrielle Eisenproduktion benötigte Eisenerz als Rohstoff und Holzkohle als Brennstoff. Die nötige Antriebskraft lieferte der Rohrbach. Die Anlagen wurden auf zwei Ebenen verteilt. Die obere Ebene bestand aus einem Hochofen und einer Frischhütte. Talabwärts folgten eine weitere Frischhütte und ein Hammerwerk. Produziert wurden zunächst Gusswaren und Erzeugnisse aus Schmiedeeisen. Nach mehreren Betreiberwechseln erwarb Philipp Heinrich Krämer (1754-1803) im Jahr 1788 zunächst Anteile am Eisenwerk. Er übernahm die Unternehmensleitung und wurde 1791 schließlich alleiniger Anteilseigner. Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges fiel das zuvor stark zersplitterte linksrheinische Gebiet im Zuge des Friedens von Campoformio im Jahr 1797 an Frankreich und bildete nun einen einheitlichen Wirtschaftsraum. Die Eisenindustrie war zudem Profiteur der steigenden Nachfrage nach Kriegsgütern. Im Jahr 1804 konnte Katharina Sophia Krämer (1763-1833) – Witwe von Philipp Heinrich Krämer – das St. Ingberter Eisenwerk erwerben. Sie leitete das Unternehmen 30 Jahre lang. Die Grenze zwischen St. Ingbert und Rentrisch wurde 1816 mit dem Ende der französischen Herrschaft wieder hergestellt und trennte nun den bayerischen vom preußischen Teil der Saarregion. Die Gründung des Deutschen Zollvereins im Jahr 1834 führte schließlich zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Die Söhne Philipp Heinrich Kraemer II. (1789-1867) und Christian Friedrich Kraemer (1800-1874) – seit dieser Generation schreibt sich die Familie Krämer mit „ae“ statt „ä“ – übernahmen schließlich das Eisenwerk. Das Werk war das erste auf dem Gebiet des heutigen Saarlandes, das 1833 eine Dampfmaschine in Betrieb nahm. Sie löste die Wasserkraft als Antriebskraft für die Walzstraßen ab. Das Puddelverfahren verdrängte in den 1830er Jahren das Frischen im offenen Feuer und Koks ersetzte zur Mitte des 19. Jahrhunderts Holzkohle als Brennmaterial. Erst ab 1867 war St. Ingbert über eine Nebenstrecke an das Eisenbahnnetz angebunden. 1879 wurde schließlich die Eisenbahnverbindung von St. Ingbert nach Saarbrücken eröffnet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden u.a. die Drahtstraßen, die Walzwerke und die Gießereianlagen weiter ausgebaut. Neben Gusswaren umfasste die Produktion nun vor allem Eisenbahnschienen, Eisenträger und Draht. 1894 folgte die Inbetriebnahme eines Thomasstahlwerks. Im Jahr 1905 kam es zum Zusammenschluss der „Eisenwerk Kraemer AG“ mit der „Rümelinger Hochofen AG“ zur „Rümelinger und St. Ingberter Hochöfen und Stahlwerke AG“, womit eine Erneuerung und Erweiterung des Werks verbunden war. Es entstanden u.a. die Mechanische Werkstatt, die Elektrische Zentrale, die Begrenzungsmauer zur Saarbrücker Straße und ein Schlafhaus. 1911 wurde eine Interessengemeinschaft mit der „Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-AG“ gebildet. Mit dem Tod Oskar Kraemers II. (1866-1912) schied im Jahr 1912 das letzte Mitglied der Familie Kraemer aus der Leitung des Eisenwerkes aus. Durch das Unternehmen HADIR (Société Anonyme des Hauts-Fourneaux et Aciéries de Differdange, St. Ingbert, Rumelange) erfolgte nach dem Ersten Weltkrieg eine Spezialisierung auf Drahtprodukte und Bandeisen. Ab dem Beginn der 1950er Jahre profitierte die Eisen- und Stahlindustrie vom einsetzenden Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegsjahre. 1965 erlangte ARBED die Mehrheitsanteile an HADIR, die zwei Jahre später fusionierten. Im Rahmen der Stahlkrise ab 1975 kam es zur Aufgabe bzw. Abstoßung von Produktionsbereichen. Heute findet sich am Standort noch die Drahtwerk St. Ingbert GmbH, ein Unternehmen der Saarstahl-Gruppe.

Der von der Initiative Alte Schmelz St. Ingbert e.V. konzipierte Besucherweg „Alte Schmelz“ erschließt heute die Relikte des ehemaligen St. Ingberter Eisenwerks, insbesondere den stillgelegten Werksbereich und die Siedlung. Er liefert Hintergrundinformationen zur Bau-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Eisenwerks. Einige Relikte sollen im Folgenden näher beschrieben werden:

An der Schnittstelle von Werk und Siedlung befindet sich das Konsumgebäude. Dort konnten die Werksangehörigen und ihre Familien Waren verbilligt beziehen. Im Jahr 1890 wurde der „Consum- und Sparverein“ gegründet. Der genossenschaftliche Einkauf größerer Mengen zu niedrigeren Bezugspreisen erlaubte die günstige Abgabe der Waren an die Belegschaftsmitglieder.

Konsumgebäude Alte Schmelz St. Ingbert Konsumgebäude
Das Konsumgebäude (Zustand im Jahr 2010) liegt an der Schnittstelle von Siedlung und Werk. Es ermöglichte den Belegschaftsmitgliedern und ihren Familienangehörigen den verbilligten Einkauf von Waren. Foto: Landesdenkmalamt, Gregor Scherf

Wohnhaus für „Hüttenbeamte“ (Angestellte)

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Die Werkssiedlung ist die älteste erhaltene in Südwestdeutschland und zeigt die enge Verbindung von Wohnung und Arbeitsplatz. Die Häuser datieren überwiegend in die Zeit zwischen 1806 und 1809 und erfuhren Ergänzungen bis hinein ins 20. Jahrhundert. Die Siedlung besteht aus Arbeiter- und Meisterhäusern, einem Schlafhaus, Direktorenvillen und dem Herrenhaus der Familie Krämer. Das Schlafhaus wurde 1906/07 zur Unterbringung auswärtiger Arbeitskräfte oberhalb der Siedlung erbaut. Die Langhäuser wurden vermutlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts an der Hangseite der Straße Alte Schmelz errichtet. Sie sind zu einer Häuserzeile zusammengefasst. Die Hanglage wurde zur Anlage von Kellergeschossen genutzt, wobei die Keller nur von außen zugänglich waren. Die Eingänge zu den Wohnungen befinden sich auf der Hangseite. Ihnen gegenüber liegen die ehemaligen Toilettenhäuschen und Ställe. Zu den Häusern gehörten zudem Gartengrundstücke für die Selbstversorgung. Die Meisterhäuser wurden in den 1890er Jahren errichtet und bieten im Vergleich zu den Arbeiterhäusern mehr Wohnfläche, was die höhere soziale Stellung der Meister gegenüber den Arbeitern verdeutlicht. Die Werkssiedlung erfuhr im Laufe der Zeit stetige Erweiterungen. Die Gebäude der Siedlung wurden seit 1994 unterstützt durch Mittel des Landes, des Bundes und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz schrittweise von der Wohnungsbaugenossenschaft Albrecht Herold Alte Schmelz eG instand gesetzt.

Das 1807 als Wohnhaus der Unternehmerfamilie errichtete Herrenhaus in Sichtweite des Werksgeländes und der Werkssiedlung ermöglichte einen guten Überblick des Arbeitsgeschehens auf dem Werksgelände und gleichzeitig eine soziale Kontrolle der Arbeitnehmer. 1831 wurde es erweitert und 1875 als Verwaltungssitz umgebaut. Die Sanierungsmaßnahmen am Außenbau konnten im Jahr 2016 abgeschlossen werden.

Herrenhaus Alte Schmelz St. Ingbert Herrenhaus
Das im Jahr 1807 als Wohnhaus der Unternehmerfamilie errichtete Herrenhaus (Foto der Nordseite) liegt in Sichtweite des Werksgeländes und der Werkssiedlung. So ermöglichte es einen guten Überblick des Arbeitsgeschehens auf dem Werksgelände und gleichzeitig eine soziale Kontrolle der Arbeitnehmer. Das Foto zeigt den Zustand im Jahr 2017 nach der abgeschlossenen Außensanierung. Foto: Landesdenkmalamt, Gregor Scherf

Mit der Inbetriebnahme der Elektrischen Zentrale im Jahr 1909 wurde die Stromversorgung des Eisenwerkes zentralisiert. Dampfmaschinen und -turbinen wurden hierbei zur Energieerzeugung genutzt, wobei eine Kesselzentrale den Dampf lieferte. Im gleichen Jahr ging die Umformerstation in Betrieb, die Strom in niedrigere Spannung wandeln konnte.

Möllerhalle

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Das Werksgelände besitzt mit der Möllerhalle eines der ältesten und prominentesten Industriedenkmale des Saarlandes. In ihr fand die Aufbereitung von Eisenerz, Holzkohle und Hochofenzuschlagsstoffen statt. Aufgrund der Jahreszahl über dem Eingang wurde das Gebäude früher auf das Jahr 1750 datiert. Die neuere Bauforschung ergab zunächst, gestützt auf dendrochronologische Untersuchungen, 1808 als Entstehungsjahr an der Stelle eines Vorgängerbaus. Um 1833 vermutete man den Abbruch des südlichen Gebäudeteils und in der Folge die Umnutzung der verbliebenen Gebäudesubstanz. Aktuelle Untersuchengen lassen nun eine Entstehung im Jahr 1833 unter Verwendung älterer Bauhölzer aus dem Jahr 1808 als wahrscheinlich erscheinen. Über dem Satteldach erhebt sich an der Giebelfront ein Dachreiter mit Zwiebelhelm. Im Dachreiter finden sich ein Uhrwerk und eine Glocke. Diese trägt die Inschrift „SOPHIA KRAEMER – SANKT INGBERTHER EISENWERCK – FECIT MAERTZ 1810 – MICHEL MORLO“. In den Jahren 2009 bis 2011 erfolgten die Sicherung des Gebäudes sowie die Instandsetzung der Gebäudehülle. Hier fällt im Vergleich zum Vorzustand der anthrazitfarbene Außenputz ins Auge, der sich am ältesten Befund am Gebäude orientiert. Die Möllerhalle hat somit ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb des Ensembles „Alte Schmelz“. Später wurde an ihre Ostwand ein Kessel- und Turbinenhaus angebaut – nach der letzten Nutzung als Feuerwehrhalle bezeichnet.

Die Mechanische Werkstatt nahm 1907 ihren Betrieb auf. Im Rahmen einer rationelleren Gestaltung der Arbeitsabläufe wurden in ihr Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten sowie der Um- und Neubau von Maschinen gebündelt. Es handelt sich bei dem Bau um eine beeindruckende dreischiffige Stahlskelettkonstruktion. Heute wird die sogenannte „Industriekathedrale“ u.a. für Konzertveranstaltungen genutzt.

Mechanische Werkstatt Alte Schmelz St. Ingbert Mechanische Werkstatt
Die Mechanische Werkstatt, die 1907 ihren Betrieb aufnahm, ist eine beeindruckende dreischiffige Stahlskelettkonstruktion. Die Aufnahme zeigt den Zustand im Jahr 2006. Foto: Landesdenkmalamt, Reinhard Schneider

Ende der 1860er Jahre wurde die Hauptverwaltung zunächst als Wohnhaus für einen der Werksdirektoren aus der Familie Kraemer erbaut. Ab den 1890er Jahren errichtete das Unternehmen schließlich zwei Direktorenvillen oberhalb des Werkes am Waldrand, die durch eine Mauer von der Siedlung getrennt waren. Die erste wurde 1892 erbaut, die zweite zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch die Unternehmerfamilie verlegte ihren Wohnsitz nach außerhalb des Betriebsgeländes.

Die erhaltene Umfassungsmauer des Werksgeländes bildet gleichzeitig die Außenwand einiger Werksgebäude. Sie verdeutlicht die Abgrenzung des Hüttenwerks vom Siedlungsumfeld.

Der ehemalige Park der Unternehmerfamilie Krämer stellt ein frühes Beispiel eines Landschaftsgartens des industriellen Bürgertums dar. Zeugnisse der früheren Parkanlage sind u.a. die Umfassungsmauer, die Wegeführung und Reste der steinernen Wegeinfassungen sowie einige überdauerte Relikte der einstigen Parkvegetation. Der Park verfügt im räumlichen Zusammenhang mit der Arbeitersiedlung über eine hohe sozialgeschichtliche Aussagekraft.