Thema: Industriekultur und Denkmalpflege
Ministerium für Bildung und Kultur | Industriekultur

Sayner Hütte, Bendorf-Sayn

Das Denkmalensemble der Sayner Hütte zählt zu den bedeutendsten Zeugnissen der frühindustriellen Epoche in Deutschland. Die Hütte liegt am Saynbach am Hang des Burgberges in Syan, einem Ortsteil der Stadt Bendorf am Rhein. Die Eisenerzvorkommen sowie der Wald- und Wasserreichtum bildeten günstige Voraussetzungen für die Eisenverhüttung. Ab 1769 ließ der letzte kurtrierische Kurfürst Clemens Wenzeslaus das Ensemble der Sayner Hütte erbauen. Sie ging 1815 in das Eigentum des preußischen Staates über. Das Hüttenwerk gewann aufgrund seiner räumlichen Nähe zu Koblenz rasch an Bedeutung, da es neben Gebrauchseisen auch Maschinen, Kanonen, Munition, Rohre und Schienen für den Ausbau der Rheinfestung, die zu einer der größten Militäranlagen in Europa ausgebaut werden sollte, fertigte. In den folgenden fünf Jahrzehnten entwickelte sich die Sayner Hütte zu einer der modernsten Hütten in ganz Preußen. Sie wurde zu einem Musterbetrieb für Gießtechnik und hochwertige Kunstgussproduktion.

1817 begann man in Sayn mit der Herstellung von Eisenkunstguss. Neben den Königlich Preußischen Eisengießereien in Berlin und Gleiwitz war die Sayner Hütte das dritte bedeutende Werk zur Herstellung von Eisenkunstguss. Die Produktpalette umfasste u.a. Öfen, Töpfe, Teller, Leuchter, Schreibzeug, Uhrhalter, Schmuck, Gitter, Grabkreuze und Wendeltreppen. Bekannt ist die Sayner Hütte auch für ihre gusseisernen Neujahrsplaketten. Ausgewählten Persönlichkeiten wurden diese Reliefplaketten mit Ansichten von oftmals rheinländischen und westfälischen Baudenkmälern als Neujahrsgruß, verpackt in edlen Etuis mit beigefügtem Erläuterungstext, übersandt. Einen Eindruck über die gefertigten Produkte vermittelt das Rheinische Eisenkunstguss-Museum in Bendorf, das im Jahr 2021 auf die Sayner Hütte umziehen soll. Im Jahr 1865 ging die Sayner Hütte schließlich in das Eigentum des Unternehmens Krupp über.

Nach den durch das Kurfürstentum Trier, das Königreich Preußen und den Stahlindustriellen Alfred Krupp geprägten Entwicklungsphasen erfolgte im Jahr 1926 die Schließung des verkehrsungünstig gelegenen Werkes. In den folgenden Jahrzehnten wechselten sich unterschiedliche Nutzungen und Leerstand ab. Dies führte zum zunehmenden Verfall des Areals. Glücklicherweise konnte der ursprünglich vorgesehene Abbruch abgewendet werden.

Im Jahr 2010 folgte die Auszeichnung der Sayner Hütte als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ durch die Bundesingenieurkammer. Nach früheren Sicherungs- und Sanierungsarbeiten erfolgten ab 2012 umfangreiche Renovierungsmaßnahmen mit dem Ziel, das denkmalgeschützte Ensemble der Sayner Hütte als Museums- und Veranstaltungsort zu entwickeln. Im Jahr 2012 wurde die Stiftung Sayner Hütte gegründet, die sich seitdem um die Erhaltung, Entwicklung und Vermarktung des denkmalgeschützten Hüttenareals als kultureller Veranstaltungsort kümmert. Auch wenn die Sanierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen sind, stehen einzelne Gebäude schon heute den Besucherinnen und Besuchern offen.

Die Sayner Hütte gilt als wegweisend für leichte, weitspannende Tragwerke, die u.a. bei Brückenbauwerken, Bahnhofshallen und Industriegebäuden Verwendung fanden. Erstmals kamen diese auf der Sayner Hütte selbst zur Anwendung. Die von 1828 bis 1830 durch Carl Ludwig Althans (1788-1864), der zu dieser Zeit zugleich Leiter der Hütte war, erbaute historische Gießhalle mit Hochofengebäude bildet das Kernstück der Anlage. Die Halle gilt als erster Industriebau mit einer tragenden Gusseisenkonstruktion. Für deren Bau wurden aus eigener Produktion stammende und vor Ort gegossene seriell vorgefertigte Bauteile verwendet. Auf den mehr als sechs Meter hohen Hohlsäulen mit dorischen Kapitellen lagerte eine gusseiserne, freitragende Binderkonstruktion (24 x 29 m), die ohne Nieten und Schrauben auskam. Die ursprüngliche Konstruktion hatte sechs Joche und wurde 1844 um vier Joche erweitert. Die Dimensionen des als dreischiffige Basilika mit hochgezogenem Mittelschiff und durchlaufender, verglaster Obergadenzone angelegten feuersicheren Baus waren im damaligen Europa einzigartig. Neben dem Grundriss verleihen die Rundbogenfenster an den Längsseiten dem Bauwerk eine sakrale Anmutung. Beeindruckend ist die Glasfront der Westfassade mit Eisenrippen im Mittelschiff und Spitzbögen in den Seitenschiffen. Über die gesamte Hallenlänge führt eine Transportstraße, die an den Bindern des Obergadens aufgehängt ist. Als Rauchabzug diente der verglaste Obergaden des Mittelschiffs.

Heute können sich Besucherinnen und Besucher in der Gießhalle mittels einer medialen Inszenierung über die Arbeit am Hochofen und die Eisenherstellung informieren. Projektionen sowie eine Licht- und Toninstallation versuchen, einen authentischen Eindruck der früheren Eisenproduktion auf der Sayner Hütte zu vermitteln. Augmented-Reality-Stationen entlang des Rundgangs machen heute nicht mehr vorhandene Maschinen und Öfen von 1830 am Originalstandort erlebbar. Touchscreens unterstützen bei der Hallenerkundung und liefern Hintergrundinformationen.

Im Jahr 1908/09 erfolgte der Bau der sogenannten Krupp'schen Halle. Die Werkhalle diente u.a. zur maschinellen Bearbeitung der Eisengussstücke. Seit 2017 beherbergt das Gebäude das Besucherzentrum der Sayner Hütte. Im Jahr 2019 eröffnete hier die Dauerausstellung zur Hüttengeschichte. Sie informiert über die Gebäude des Hüttengeländes, die Geschichte der Hütte, deren wirtschaftliche Bedeutung und Verflechtung sowie über für die Hüttengeschichte wichtige Personen. Bis das Rheinische Eisenkunstgussmuseum im Jahr 2021 endgültig seine Ausstellungsräume auf der Sayner Hütte beziehen wird, werden Teilbestände der Sammlung übergangsweise im Besucherzentrum in der Krupp’schen Halle präsentiert.

Im sogenannten „Arkadengebäude“ befand sich früher die Eisenkunstguss-Manufaktur. Hier soll zukünftig das Rheinische Eisenkunstgussmuseum seine neue Heimat finden.

Das zentral gelegene sogenannte „Haus Nr. 6“ diente als Wohnhaus und Werkstatt von Carl Ludwig Althans – dem Erbauer der Gießhalle. Es soll ebenfalls Teil des Museums werden und sich dem Leben seines früheren Bewohners widmen.

Das sogenannte Comptoir aus dem Jahr 1769 ist das älteste Gebäude des Ensembles Sayner Hütte. Das Beamtenhaus soll zukünftig u.a. Büroräume für die Stiftung Sayner Hütte und die Museumsleitung beherbergen.