Thema: Industriekultur und Denkmalpflege
Ministerium für Bildung und Kultur | Industriekultur

Abentheuerer Hütte

Die Abentheuerer Hütte gilt als älteste nachgewiesene Eisenhütte des Hunsrücks. 1499 gründeten der aus dem in der Nähe des Klosters Himmerod gelegenen Eisenschmitt (Landkreis Bernkastel-Wittlich) stammende Hans Eisenschmidt und dessen Sohn Matthäus eine Eisenhütte. 1621 wurde die Hütte an ihren heutigen Standort in Abentheuer verlegt. Während des Dreißigjährigen Krieges kam die Produktion zum Erliegen. Im Jahr 1635 wurde der Betrieb zerstört und später von wallonischen Unternehmern wieder aufgebaut. 1672 wurde der Eisenhammer der Hütte wieder in Gang gesetzt. Im Jahr 1699 übernahm der Unternehmer Remacle de Hauzeur (1663-1745) das Werk, welches daraufhin einen Aufschwung erlebte. 1763 ging die Hütte schließlich in das Eigentum des Montanunternehmers Johann Heinrich Stumm (1710-1783) über. 1765 erfolgte der Bau eines weiteren Hochofens. Nach dem Tod von Johann Heinrich Stumm übernahmen dessen Söhne den Betrieb. Anfang des 19. Jahrhunderts geriet das Hüttenwerk in Schwierigkeiten. Verantwortlich waren erschöpfte Erzgruben, hohe Holzpreise und Abgaben sowie die zunehmende Konkurrenz durch zahlreiche neu entstandene Hüttenbetriebe. In der Konsequenz erwarben die Gebrüder Stumm im Jahr 1806 das Neunkircher Eisenwerk, da die dortigen Eisenvorkommen eine höhere Qualität als die Vorkommen im Hunsrück versprachen und das Werk in Neunkirchen zudem über eine günstigere Verkehrsanbindung verfügte. 

Charlotte Henriette Stumm (1790-1832), eine Enkeltochter von Johann Heinrich Stumm, heiratete im Jahr 1809 Heinrich Böcking (1785-1862). Das Eisenwerk in Abentheuer gelangte schließlich 1839 in den Besitz der Familie Böcking. In den 1860er Jahren beschäftigte die Hütte etwa 200 Arbeiter. Produziert wurden u.a. Töpfe, Öfen und Ofenverzierungen, Wagenachsen, aber auch Munition. Nach 1870 wurde das Unternehmen zunehmend unrentabler und konnte mit den preisgünstiger und effizienter produzierenden Unternehmen, insbesondere an der Saar, nicht mehr konkurrieren. Die alten Holzkohlehochöfen reichten weder qualitativ noch quantitativ an die modernen Kokshochöfen. 1875 wurde der Betrieb des Eisenwerkes in Abentheuer schließlich eingestellt. 

Auf dem Gelände der Abentheuerer Hütte lassen sich noch zahlreiche Spuren der montanindustriellen Ära entdecken. Das Areal hat heute die Anmutung eines Landschaftsparks mit Teichen, Bächen, altem Baumbestand, Wiesen und Ruinen. Viele Gebäude und Produktionsanlagen wurden abgerissen oder sind verfallen, jedoch lassen die Ruinen oftmals noch die einstige Funktion erkennen. 

Am heutigen Eingangstor des früheren Hüttengeländes – die Zufahrt lag früher weiter nordwestlich – ist das Eingangshaus erhalten. Dem Eingangshaus gegenüber liegt das im Jahr 1715 erbaute Herrenhaus. Die Deckenhöhen des dreigeschossigen repräsentativen Gebäudes betragen zwischen 3,60 m und 3,80 m. Zwei Geschosse sind gemauert, das dritte ist in Fachwerk ausgeführt. Herrenhaus und Gästehaus werden durch ein jüngeres, im Jahr 1936 errichtetes Zwischengebäude, das als Gutsküche genutzt wurde, verbunden. Zwischen dem Eingangshaus und dem Herrenhaus erstreckt sich der Garten des Herrenhauses mit einem künstlich angelegten Wasserfall und einem kleinen Teich. Oberhalb des Herrenhauses liegt ein Eisenpavillon, der zwischen den Stützen und dem Dachanschluss mit verschnörkelten Ornamenten verziert ist. Das zweigeschossige Scheunengebäude des ehemals angegliederten landwirtschaftlichen Betriebes besteht im Erdgeschoss aus Mauerwerk, im Obergeschoss aus Fachwerk. Vom früheren Gewächshaus sind dagegen nur noch Mauerreste erhalten. 

Das Zweifamilienhaus für die Hüttenmeister ist erhalten. Das eingeschossige Gebäude wurde aus verputztem Mauerwerk errichtet und trägt ein Krüppelwalmdach. Von dem 1765 erbauten Hochofen, der Schmiede, der Eisenschneide und dem Wiegehäuschen sind lediglich die Grundmauern und einige Mauerreste erhalten. 

Das Wasserrad auf dem Hüttengelände wurde erst um 1830/40 gebaut, um Gusssand mahlen zu können, der zur Herstellung der Gussformen benötigt wurde. Die Gebäudeaufteilung des großen Hammers lässt sich heute lediglich erahnen. Die unterirdische Wasserableitung ist jedoch noch intakt und die Essen sind unter dem aufgeschütteten Erdreich erhalten. Die Eisenhütte verfügte über ein ausgeklügeltes Wassersystem. Mittels ober- und unterirdischer Gräben und Kanäle wurde das Wasser den zahlreichen über das gesamte Hüttengelände verteilten Wasserrädern zugeführt. Auch die beiden Weiher sind Teil dieses Wassersystems. Der große Weiher mit einer kleinen Insel wurde angelegt, um die jahreszeitlichen Schwankungen der Wassermengen des Traunbachs auszugleichen. Die Regulierung erfolgte über mehrere Wehre mittels Schiebersystem. Auch der kleine Weiher wurde als Wasserspeicher genutzt. 

Auf einer Gusseisenbrücke konnten die Fuhrwerke den Wasserkanal überqueren. Die mit Eichenplanken belegte Brücke wurde in der Abentheuerer Hütte gegossen. Sie wurde im Jahr 1981 anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) in Berlin ausgestellt. Da sie dem Gewicht heutiger Fahrzeuge nicht mehr gewachsen war, wurde sie durch eine neue Brückenkonstruktion ersetzt. Die alte Gussbrücke wurde um einige Meter versetzt und konnte so erhalten werden. 

Heute befindet sich die Abentheuerer Hütte im Besitz von Caspar Kampf, einem Nachfahren der Familie Stumm bzw. Böcking. Im Rahmen von Führungen wird den Besucherinnen und Besuchern die montanindustrielle Epoche des Hunsrücks erläutert. Sie erhalten Informationen über die Gründe zur Wahl des Ortes Abentheuer als Standort des Unternehmens, die Rohstoffquellen, die Arbeiter im Hunsrück und die damalige Technik der Eisenverhüttung. Es werden Vorführungen im Eisenguss und Workshops mit dem Schwerpunkt Buntmetallguss angeboten. Das Herrenhaus der Abentheuerer Hütte bietet einen „Salon • Kultur“ für Kunst, Literatur und Musik.