Allgemeine Informationen
Die UN-Behindertenrechtskonvention baut auf der Menschenrechtskonvention auf. Es ist ihr Ziel, Menschen mit Behinderungen am allgemeinen gesellschaftlichen Leben im Sinne einer „selbstverständlichen Zugehörigkeit“ teilhaben zu lassen. Barrierefreiheit und Zugänglichkeit für jede Person, Gestaltung von Dingen, Leistungen und Information sind derart anzubieten, dass sie für alle gleichermaßen nutzbar werden.
Inklusion zu fördern, bedeutet Diskussionen anzuregen, positive Einstellungen zu fördern und soziale wie bildungsbezogene Rahmenbedingungen zu verbessern. Auf der Ebene der Umgebung des Lernenden als auch auf der Ebene des Systems müssen Inputs, Prozesse und Bedingungen zur Förderung von Lernprozessen verbessert werden.
Inklusive Bildung wird international zunehmend als eine Reform verstanden, welche die Vielfalt aller Lernenden unterstützt und willkommen heißt. Inklusion will negative Einstellungen und mangelnde Berücksichtigung von Vielfalt in ökonomischen Voraussetzungen, sozialer Zugehörigkeit, Ethnizität, Sprache, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung und Fähigkeiten beseitigen. Um soziale Gerechtigkeit zu erreichen, ist ein inklusives Bildungsangebot über die gesamte Lebensspanne wesentlich. Inklusion will die Teilhabe für alle gewährleisten.
Rechtliche Hintergründe zur Umsetzung inklusiver Bildung
Die rechtlichen Hintergründe zur Umsetzung inklusiver Bildung im Saarland stützen sich hauptsächlich auf vier Gesetzestexte:
das Gesetz Nr. 812 zur Ordnung des Schulwesens im Saarland (Schulordnungsgesetz SchoG) in der Fassung vom 25. Juni 2014: | Ordnung des Schulwesens |
das Gesetz Nr. 826 über die Schulpflicht im Saarland (Schulpflichtgesetz SchpfG) in der Fassung vom 4. August 2014: | Schulpflichtgesetz |
die Verordnung "Schulordnung über die gemeinsame Unterrichtung von Behinderten und Nichtbehinderten in Schulen der Regelform" (Integrationsverordnung) in der Fassung vom 4. Juli 2003: | Integrationsverordnung |
seit dem 1. August 2015 die Verordnung zur inklusiven Unterrichtung und besonderen pädagogischen Förderung (Inklusionsverordnung) sowie zur Änderung von Verordnungen auf dem Gebiet des Schulrechts: |
Das neue Schulordnungsgesetz wurde vom saarländischen Landtag einstimmig verabschiedet. Es soll die Voraussetzungen dafür schaffen, die schulrechtlichen Regelungen an die Verpflichtungen anzupassen, die aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) erwachsen. Die Regelungen, die für die Umsetzung notwendig sind, sind seit dem Schuljahr 2015/2016 auf Verordnungsebene (Inklusionsverordnung) festgelegt.
Das Saarland auf dem Weg zur Inklusiven Bildung
Das Saarland ist im Bereich der inklusiven Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern, auch mit Behinderung oder wenn sie von Behinderung bedroht sind, schon sehr weit.
Frühkindlicher Bereich
Inhaltlich und konzeptionell haben alle Kindertageseinrichtungen einen inklusiven Auftrag durch das saarländische Bildungsprogramm. Deshalb wird eine inklusive Bildung, Betreuung und Erziehung für alle Kinder in Kindertageseinrichtungen, egal welchen individuellen Hintergrund sie haben (besonderer Förderbedarf, Religion, Kultur, Sprache, besondere Begabungen usw.) umgesetzt. Inklusion bedeutet die Einbeziehung aller Kinder in jedem Alter, somit auch bereits im Krippenalter. Bei einer Betreuung in einer Krippe kann im Einzelfall auf die Unterstützung externer Einrichtungen (Frühförderung, individuelle Begleitung usw.) zurückgegriffen werden.
Im Saarland ist das Kooperationsjahr Kindergarten-Grundschule flächendeckend umgesetzt. Durch die Kooperation Kindergarten/Schule besteht die Möglichkeit, dass sich Kindergarten und Schule gemeinsam über die Kompetenzen der zukünftigen Schulkinder Kenntnis verschaffen und die Kinder gemeinsam entsprechend den persönlichen Bedarfen im Übergang begleiten, unterstützen und fördern.
Seit dem Schuljahr 2015/2016 stellt das Ministerium für Bildung und Kultur ein Beratungsangebot für den frühkindlichen Bereich zur Verfügung.
Grundschule
Seit der Änderung des Schulordnungsgesetzes sind alle öffentlichen Schulen der Regelform inklusive Schulen (§ 4 Schulordnungsgesetz). Seit Beginn des Schuljahres 2014/2015 gilt: Alle Kinder des Einschulungsjahrgangs werden in die örtliche Grundschule aufgenommen. Um Förderung in multiprofessioneller Kooperation aufgrund individueller Förderpläne durchführen zu können, wird sonderpädagogische Unterstützung durch das zuständige Referat des Ministeriums für Bildung und Kultur budgetiert zugewiesen. Zusätzlich erfolgt eine budgetierte Zuweisung von Reglschullehrerwochenstunden über die Personalisierung der Stundentafel hinaus, um den veränderten Anforderungen Rechnung zu tragen und die Förderung systembezogen konzipieren zu können und sich im Einzelfall auf die Bedingungen der jeweilgen Schule beziehen zu können.
In den Schulen wird das individuelle Lernen durch eine Prozessdiagnostik und -dokumentation begleitet. Bevor über die Schule ein Antrag auf zusätzliche sonderpädagogische Förderung gestellt werden kann, müssen alle dort vorhandenen Ressourcen ausgeschöpft sein. Zur Unterstützung ihrer Förderplanung und Fördergestaltung können Regelschulen künftig in Einzelfällen über die Unterstützung durch die Förderschullehrkräfte vor Ort hinaus eine förderdiagnostische Expertise bei den Förderschulen anfordern. Einzelheiten dazu regelt die „Verordnung zur inklusiven Unterrichtung und besonderen pädagogischen Förderung“, die seit 1. August 2015 in Kraft ist.
In der Grundschule sind die Schuleingangsphase mit flexibler Verweildauer und die Möglichkeit des jahrgangsübergreifenden Lernens eröffnet worden. Über die Versetzung der Schüler:innen wird in der Grundschule das erste Mal nach Klassenstufe 3 entschieden.
Weiterführende Schulen
Seit Inkrafttreten der Integrationsverordnung 1987 gab es im Saarland für Schüler:innen mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf ab Klassenstufe 5 zwei mögliche Förderorte: entweder den gemeinsamen Unterricht (Integrativer Unterricht) an einer Regelschule oder den Besuch der zuständigen Förderschule. Beide Förderorte waren und sind grundsätzlich gleichberechtigt (§ 6 Abs.1 und 2 Schulpflichtgesetz).
Die Beschulung an Regelschulen setzte bisher einen Antrag der Eltern voraus (§ 6 Integrationsverordnung). Bevor über einen solchen Antrag entschieden werden konnte, musste ein sonderpädagogischer Förderbedarf anerkannt sein (§ 7 Integrationsverordnung). Dieses Verfahren galt bis zum Schuljahr 2016/2017 noch für die Gemeinschaftsschulen und Gymnasien.
Mit der veränderten Schulgesetzgebung ist die Regelschule und damit auch die weiterführende Schule seit 2016/2017 Regelförderort für alle Kinder. Eine Umschulung in Förderschulen erfolgt nur noch auf Antrag der Eltern, die grundsätzlich über den Lernort entscheiden (§ 4 Abs. 3 Schulordnungsgesetz; § 5 Abs. 4 Schulpflichtgesetz). Davon ausgenommen sind Fälle, in denen Schüler sich selbst oder andere gefährden (§ 5 Abs. 4, Satz 2 Schulpflichtgesetz). Seit dem Schuljahr 2020/2021 ist die Inklusionsverordnung bis Klassenstufe 9 in Kraft.
Umsetzung des gemeinsamen Lernens
Umsetzungsvorschriften zu den inklusiven Schulgesetzen
- Erlass zur Leistungsbewertung in den Schulen des Saarlandes mit Gültigkeit für die weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und die beruflichen Schulen
- Rundschreiben zum Erlass zur Leistungsbewertung in den Schulen des Saarlandes sowie Überarbeitung Kapitel 4 "Berufliche Schulen"