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Antisemitismus und Schule – Erkennen und Handeln

Bildung ist der Schlüssel gegen Antisemitismus. Wie man Antisemitismus erkennt und welche Handlungsmöglichkeiten es gibt, das erklären wir hier.

Israelbezogener Antisemitismus ist ein vielschichtiges Phänomen. Er ist als gesamtgesellschaftliches Problem in allen Teilen der Gesellschaft verbreitet. Das Phänomen wird oft verharmlost und die Lebensrealität von Jüdinnen und Juden, überall und immer mit Antisemitismus konfrontiert werden zu können, ignoriert. Es ist von entscheidender Bedeutung, Antisemitismus konsequent entgegenzutreten, um die Werte der Toleranz, des Respekts und der Vielfalt zu verteidigen und eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.

Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot.

Israelbezogener Antisemitismus


»Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.« (International Holocaust Remembrance Alliance)

»Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.« (Erweiterung der Bundesregierung)


Demnach liegt israelbezogener Antisemitismus vor, wenn:

  • Alle Jüdinnen und Juden mit Israel gleichgesetzt werden (bspw., wenn sich Jüdinnen und Juden für die Politik der israelischen Regierung rechtfertigen müssen).
  • Das Existenzrecht des Staates Israel angezweifelt wird (bspw., wenn behauptet wird, dass der Staat gar nicht existieren dürfe, bzw. behauptet wird, dass er in seinem Wesen grundsätzlich ein Unrechtsstaat sei).
  • Beispiellose Forderungen an den Staat Israel gestellt werden (bspw., wenn gefordert wird, dass Israel sich nicht gegen Terrorismus wehren soll).
  • Die Politik Israels mit dem Nationalsozialismus verglichen wird (bspw., wenn behauptet wird, Israel würde mit den Bewohnerinnen und Bewohner Gazas dasselbe machen wie die Nazis mit den Jüdinnen und Juden).
  • Antijüdische Narrative auf Israel übertragen werden (bspw., wenn behauptet wird, Israel würde gemeinsam mit Jüdinnen und Juden weltweit großen Einfluss besitzen und die Politikerinnen und Politiker kontrollieren).
  • Israel als Kolonialstaat/Apartheidstaat bezeichnet wird (bspw., wenn die Situation der arabischen Bevölkerung Israels mit der der Schwarzen in Südafrika gleichgesetzt wird).

Wie erkenne ich israelbezogenen Antisemitismus?


Die 3D-Regel »Dämonisierung – Doppelstandards – Delegitimierung« nach Natan Scharanski gibt eine gute Orientierung zur Einordnung von Äußerungen in antisemitische Muster.


Dämonisierung:

  • Versuch, Israel als Inbegriff des Bösen darzustellen
  • Vergleiche der Zustände in Israel mit dem Nationalsozialismus
  • Darstellung Israels als »Kindermörder« oder als »Terrorregime«, das einen Genozid verübt

Doppelstandards:

  • Anlegung höherer moralischer Standards an Israel als an andere Länder
  • Selektives Kritisieren Israels bei gleichzeitigem Ignorieren des Fehlverhaltens anderer Länder (Bspw. zahlreiche UNO-Resolutionen gegen Israel, aber kaum gegen China, Iran, Syrien)

Delegitimierung:

  • Absprechen des Existenzrechts Israels, Geschichtsklitterung bezüglich der Gründung des Staates
  • Diffamierung Israels als Kolonialstaat und Absprache des Rechts auf Selbstverteidigung
  • Entwertung des Judentums als Religion und/oder Volk

Der Beutelsbacher Konsens

Seit den 70er Jahren gelten für die (schulische und außerschulische) politische Bildung in Deutschland folgende Grundsätze:

  1. Das Überwältigungsverbot:
    Lernende dürfen nicht im Sinne erwünschter Meinungen »überrumpelt« werden, um sie an der Bildung eines eigenen Urteils zu hindern. Diese Form der Indoktrination widerspricht dem Prinzip politischer Bildung, die die Bildung eines selbstständigen Urteils zum Ziel hat.
  2. Das Kontroversitätsgebot:
    Dinge und Positionen, die in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, werden auch im Rahmen der politischen Bildung als kontrovers dargestellt. Lehrende sind gehalten, die Lernenden mit Standpunkten und Alternativen zu konfrontieren, die ihnen bisher fremd sind.
  3. Die Schülerinnen- und Schülerorientierung:
    Den Schülerinnen und Schüler werden Mittel und Wege aufgezeigt und an die Hand gegeben, die sie in die Lage versetzen, die politische Lage und ihre eigenen Interessen zu analysieren und die Situation zugunsten ihrer Interessen zu beeinflussen.

Was bedeutet »Neutralität« in der Schule?

Für Lehrkräfte gilt die Pflicht zur staatlichen Neutralität. Schülerinnen und Schüler dürfen trotz unterschiedlicher politischer Standpunkte im Sinne der Sachlichkeit und Chancengleichheit in der politischen Auseinandersetzung nicht einseitig beeinflusst werden. Meinungsäußerungen, die im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung als Kerngehalt unserer Verfassung getätigt werden, ebenso auch Kritik im Sinne des Art. 5 GG, bleiben unberührt, sind jedoch als solche zu kennzeichnen.

Was bedeutet das für den Unterricht? Wie kann ich mich als Lehrkraft positionieren?

Lehrkräfte dürfen ihre eigene Sichtweise im Unterrichtskontext ausdrücken, jedoch nicht als allgemeingültig darstellen. Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage versetzt werden, sich selbst anhand von sicheren Quellen ein
Urteil zu bilden. Explizit dürfen Lehrkräfte eigene Betroffenheit äußern, z. B. über menschliches Leid im Kontext von Krieg. Fälle, in denen eine deutliche Positionierung im Sinne ihrer Aufgabe als Staatsbedienstete sogar geboten ist, sind solche, in denen es um die Verteidigung unseres Grundgesetzes und der darin festgeschriebenen Normen geht, wie die Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Schulen als Orte des Miteinanders und der Demokratie haben den Auftrag, Urteils- und Handlungskompetenz zu vermitteln und sind ein Schutzraum für Kinder und Jugendliche. Wir möchten unsere Lehrkräfte darin bestärken und sie dazu ermutigen, für das Wohl aller Schülerinnen und Schüler und zur Vermittlung freiheitlich demokratischer Werte wie Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit oder religiöse und weltanschauliche Toleranz einzustehen und deren Gegenteilen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Antisemitismus oder Islamfeindlichkeit abzusagen.