Thema: Naturschutz
Ministerium für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz | Naturschutz

Für den Erhalt der biologischen Vielfalt

Viele Arten in der Tier- und Pflanzenwelt sind vom Aussterben bedroht oder bereits vollständig verschwunden. Gründe sind vor allem der Rückgang von Lebensräumen durch menschliche Übernutzung.

Biodiversität im Saarland

„Im Vergleich zu anderen Regionen und Bundesländern schneiden wir im Saarland mit unserer Artenvielfalt noch vergleichsweise gut ab. Trotzdem muss das wichtigste naturschutzpolitische Ziel sein, diesen Stand nicht nur zu halten, sondern kontinuierlich zu verbessern. In Gebieten, in denen gravierende Verschlechterungen bereits eingetreten sind, versuchen wir mit entsprechenden Anreizen zur Verbesserung beizutragen“, so Umweltminister Reinhold Jost. 

Die Saarländische Landesregierung hat 2017 die „Saarländische Biodiversitätsstrategie“ als Handlungsprogramm für den Erhalt der biologischen Vielfalt veröffentlicht. Sie setzt einen Rahmen, um in unterschiedlichen Bereichen konkrete Umsetzungskonzepte zu erarbeiten. Im Jahr 2019 resultierte daraus in enger Abstimmung zwischen Naturschutzverbänden und Waldnutzern der Leitfaden „Biodiversität im Wirtschaftswald“. Darüber hinaus wurde im vergangenen Jahr auch eine Hilfestellung für mehr Artenvielfalt im Siedlungsraum herausgegeben. Ein ähnliches Konzept ist zur Erhaltung der Lebensräume und Arten in der offenen Kulturlandschaft in Arbeit. Seit Anfang 2020 beraten sich dazu die Landwirtschaftliche Berufsvertretung und die Naturschutzverbände. Ebenfalls in Vorbereitung ist ein querschnittsorientiertes Aktionsprogramm Insektenschutz im Saarland (APIS).

Im Bereich der Biodiversität im Wald kann das Saarland viele positive Entwicklungen vorweisen. Ähnlich wie in den anderen Bundesgebieten hat die Anfang 2020 vorgelegte Analyse zu den Roten Listen für Tiere, Pflanzen und Pilze gezeigt, dass sich der Zustand in den saarländischen Wäldern nur wenig verschlechtert hat. „Unseren in der Regel reich strukturierten Wäldern und dem im bundesweiten Vergleich höchsten Laubholzanteil haben wir dieses konstante Ergebnis zu verdanken. Diese positive Entwicklung geht auf die naturnahe Waldwirtschaft im Saarland zurück, die bei uns bereits seit mehr als 30 Jahren betrieben wird“, erläutert der Minister. Auch die Holzvorräte wachsen stetig an, was die kürzlich durchgeführte Saarwaldinventur (SWI) eindrucksvoll bestätigt hat.

BlühflächenZuwendungen Land
Landes-Sonderprogramm "Dem Saarland blüht was"38158.010,19 €
Blühflächenförderung im Rahmen der Dorfentwicklung640.203,54 €
Gesamt44198.213,73 €

Die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt im besiedelten Raum stellt ein weiteres großes Handlungsfeld in der Saarländischen Biodiversitätsstrategie dar. Bereits 2018 startete dazu eine Siedlungsnaturschutzinitiative. In drei Modellkommunen (Kleinblittersdorf, St. Ingbert und Rehlingen-Siersburg) wurde dabei gezeigt, wie ökologisch orientierte Pflegekonzepte für öffentliche Grünflächen, Nisthilfen für gefährdete Arten an öffentlichen Gebäuden sowie die Anlage von Blühwiesen beispielhaft initiiert und umgesetzt werden können. Die Anlage von Blühflächen, gefördert durch GAK-Mittel (Gemeinschaftsaufgabe Agrar- und Küstenschutz), fand in vielen Dörfern großen Anklang. Diese Maßnahme wird auch in den kommenden Jahren fortgeführt.

Dennoch gibt es im Saarland auch negative Tendenzen. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gesunken; gleichzeitig haben sich die bewirtschafteten Schläge vergrößert. Dadurch ist der Anteil, der für die Artenvielfalt besonders wichtigen Grenzlinienstrukturen deutlich zurückgegangen. Das zeigt sich vielerorts am Fehlen von artenreichen Weg- und Ackersäumen. Auch die Auswertungen der Roten Listen belegen, dass der Anteil gefährdeter Arten in nicht bewaldeten Gebieten und einigen Siedlungsgebieten mit Abstand am höchsten ist. „Für effektive und wirksame Umsetzung von Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt setzen wir vor allem auf Aufklärung und Information. Die Länder sind zudem in hohem Maße auf die Bereitstellung von Mitteln aus EU- und Bundesprogrammen angewiesen. Dafür habe ich mich als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz 2020 auch für die Zukunft eingesetzt“, so Umweltminister Jost.

Der Saarländische Weg beim nationalen Aktionsprogramm Insektenschutz

Konstruktiver Dialog zwischen Naturschutzverbänden und Landwirtschaft

Insekten sind weltweit die artenreichste Tiergruppe und für die Funktion von Ökosystemen von unschätzbarem Wert. Sie sorgen für die Bestäubung von Pflanzen, für Nährstoffkreisläufe, den Abbau organischer Masse, die biologische Schädlingskontrolle, die Gewässerreinigung und den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. Doch sowohl die Gesamtmasse als auch die Artenvielfalt der Insekten sind in Deutschland ist stark zurückgegangen. Dies belegen die Roten Listen und zahlreiche wissenschaftliche Studien. Selbst in Schutzgebieten gibt es mehr als 70 Prozent weniger Insekten als noch vor 30 Jahren. 41 Prozent der für die Bestäubung besonders wichtigen Wildbienen sind in ihrem Bestand gefährdet. Diese beunruhigende Entwicklung in vielen Regionen Deutschlands trifft auf das Saarland aufgrund reich strukturierter und vergleichsweise artenreicher Kulturlandschaften allerdings in deutlich geringerem Maße zu.

Um die Lebensbedingungen für Insekten in Deutschland wieder zu verbessern, setzt das nationale Aktionsprogramm Insektenschutz (API), das im September 2019 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, auf zügige Umsetzung konkreter Maßnahmen in neun thematischen Handlungsbereichen.

Saarländische Aktivitäten zum Insektenschutz – miteinander statt übereinander reden

Ende 2019 hat der saarländische Umweltminister Reinhold Jost ein Arbeits- und Diskussionspapier zum Aktionsprogramm Insektenschutz Saarland (APIS) vorgestellt und damit einen konstruktiven Dialog mit den Verbänden eröffnet. Seitens der Landwirtschaft wurde nach Corona bedingten Verzögerungen im Dialogprozess vorgeschlagen, als erstes einen Handlungsleitfaden „Biodiversität in der Landwirtschaft“ zu erarbeiten, der dann ins APIS übernommen werden kann. Dessen Inhalte sollten in gemeinsamen Workshops – soweit  sie das Offenland und die Landwirtschaft betreffen – behandelt werden. Neben den zuständigen Fachabteilungen des Ministeriums sind Bauernverband, Landwirtschaftskammer sowie BUND und NABU in diesen Workshops vertreten. Dieser Verbändedialog zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, miteinander statt übereinander zu reden.

Umsetzung des Insektenschutzgesetzes und Auswirkungen für das Saarland

Zur Umsetzung des vom Bund verabschiedeten API sind teilweise Rechtsänderungen im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) erforderlich.

Für das Saarland hätte die BNatSchG-Änderung vor allem Auswirkungen mit Blick auf das „artenreiche mesophile Grünland“. Es soll bundesweit künftig unter pauschalen Schutz gestellt werden, ohne regionale Besonderheiten und Belastungen für die Landwirtschaft in ihrer Betriebsführung zu berücksichtigen. Mehr als 1/3 des Gesamtgrünlandes im Saarland (ca. 43.000 ha) sind aber schon heute entweder FFH-Lebensraumtyp (rd. 13.500 ha) oder § 30-Biotop gemäß BNatSchG (rd. 2.000 ha, v.a. Nasswiesen). Gleichzeitig liegen mehr als ¾ des artenreichen mesophilen Grünlandes (v.a. FFH-Lebensraumtyp 6510 = Flachland-Mähwiesen) außerhalb der Schutzgebiete. Das gibt es in dieser Größenordnung in keinem anderen Bundesland. Eine Unterschutzstellung des gesamten artenreichen Grünlandes würde die saarländischen Landwirte daher in einem deutlich größeren Umfang belasten als in anderen Ländern. Die Verbände und das Ministerium sind sich daher darüber einig, dass die vom Bund gewählte pauschale Reglementierung für mesophiles Dauergrünland den saarländischen Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung trägt – auch wenn sie fachlich richtig und für viele Bundesländer zutreffend ist.

Der „saarländische Weg“ für das artenreiche Grünland

Daher stellt das Saarland mit einer Änderung des Saarländischen Naturschutzgesetzes (SNG) im § 22 als neu hinzukommende, gesetzlich geschützte Biotope nicht das komplette mesophile Grünland unter Schutz, sondern nur das ökologisch derzeit höchstwertigste. Dabei handelt es sich um etwa 12 Prozent des gesamten Dauergrünlandes und rund 40 Prozent des mesophilen Grünlandes LRT 6510 aller Ausprägungen. Dieser „Saarländische Weg“ wird seitens der Landwirtschaft genauso akzeptiert wie von den Naturschutzverbänden. Durch den Schutz der genannten Grünlandflächen werden die artenreichsten Flächen, die auf mesophilen Standorten im Saarland vorkommen, gesichert. Sie beheimaten nahezu das komplette genetische Arten-Potential des Naturschutzgrünlandes mittlerer Standorte. Darüber hinaus ist auch das phänologische Spektrum über die Vegetationsperiode sehr breit und vielfältig. Insofern sind die Habitatvoraussetzungen insbesondere für Insekten, aber auch für viele andere Tierarten, von besonderer Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt in Wiesen.

Alle übrigen Grünlandflächen werden nicht unter besonderen Schutz gestellt. Allerdings sind auch sie für den Insektenschutz und die Artenvielfalt von Bedeutung und dürfen sich in ihrem Zustand nicht verschlechtern. Zugleich haben sie aber eine besondere Bedeutung für die extensive Grünlandwirtschaft vieler saarländischer landwirtschaftlicher Betriebe, die auch künftig ausreichend Freiräume und Flexibilität bei der Bewirtschaftung bedürfen. Diese Flächen müssen durch ein gemeinsames, auf Freiwilligkeit und Förderungen basierendes System gesichert und weiterentwickelt werden. Deshalb werden auch die Zustände des nicht unter Schutz gestellten ökologisch bedeutsamen Grünlandes langfristig beobachtet. Verschlechterungen wird im Bedarfsfall durch geeignete Maßnahmen entgegengewirkt.

Für die übrigen Biotoptypen, die im Rahmen der Bundesgesetz-Novelle pauschal unter Schutz gestellt werden sollen ­– Streuobstbestände, Steinriegel und Trockenmauern – sieht die saarländische Landwirtschaft kaum Probleme. Auch die Anpassungen in der Pflanzenschutz-Anwendungs-Verordnung sind weitgehend tolerierbar.

Grundlagen für ein belastbares Netzwerk des Vertrauens für die Zukunft

Neben attraktiven Anreizen für Erhalt und Weiterentwicklung artenreicher Agrarökosysteme, wird naturschutzfachliche Beratung und der kontinuierliche Austausch mit der Landwirtschaft ein entscheidender Bestandteil auf dem neuen saarländischen Weg sein. Der konstruktive Dialog soll ein belastbares Netzwerk des Vertrauens von Naturschutz und Landwirtschaft aufbauen. Alle Bevölkerungsschichten sollten vor diesem Hintergrund anerkennen und wertschätzen, dass Landwirte durch extensive Nutzungen und Biotoperhaltungsmaßnahmen öffentliche Leistungen für die Gesellschaft erbringen.