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Schule und Bildung

Bildung kann mit Fug und Recht als eine der Schlüsselkompetenzen bezeichnet werden, um ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten führen zu können. Daher kommt der Bildung eine zentrale Rolle im Prozess der Resozialisierung zu. Der überwiegende Teil der Gefangenen, insbesondere der jugendlichen Gefangenen, verfügen über keinen Bildungs- geschweige denn über einen Berufsabschluss. Nicht selten zeigen die Ergebnisse der Basisdiagnostik, dass bei den Jugendlichen keine allgemeine Schulreife vorliegt, da grundlegende Voraussetzungen wie Sprache und notwendige Vorbildung fehlen. Für diese Jugendliche steht ein Basiskurs zur Vermittlung von Sprache sowie sonstigen Lerninhalten der Elementarbildung zur Verfügung.

Ist eine Schulreife bei dem Gefangenen vorhanden, so besteht die Möglichkeit der Beschulung in einem regulären BVJ oder dem abschlussbezogenen BVJ der Produktionsschule. Diese Schulklassen werden von der Staatlichen Berufsschule Ottweiler (SBO) beschult.

Auch im Bereich des offenen Erwachsenenvollzuges gibt es durchaus Häftlinge, die über keinen Schulabschluss verfügen. Die dort üblichen Haftzeiten reichen jedoch in der Regel nicht aus, um einen Schulbesuch abschließen zu können. Daher richten sich diese Bildungsangebote ausschließlich an die jugendlichen Gefangenen.

Der Elementarbildungskurs / Basiskurs

Trotz des veränderten Hauptschulabschlussangebotes stieg in den letzten Jahren die Zahl derjenigen Inhaftierten deutlich an, deren gravierende Bildungsdefizite eine Beschulung auf niedrigerem Niveau erforderlich werden lassen. Davon betroffen sind einerseits Gefangene, die erhebliche Mängel in der Beherrschung der deutschen Sprache aufweisen, sowie andererseits solche, deren schulische Entwicklung sich überwiegend in Sonder- und Förderschulen vollzog. Für diese Jugendlichen, für die zunächst keine abschlussbezogene Maßnahme in Betracht kommt, stehen sogenannte Basiskurse zur Verfügung, die überwiegend von justizeigenen Lehrkräften durchgeführt werden. Zudem kommen hier noch nebenamtliche Lehrkräfte – meist aus dem Grundschul- oder Förderschulbereich – zum Einsatz, die anteilig über das Justizministerium sowie die Kreisvolkshochschule Ottweiler finanziert werden.
Einer dieser Basiskurse, in dem schwerpunktmäßig Grundkenntnisse der deutschen Sprache vermittelt werden, richtet sich in erster Linie an Gefangene mit Migrationshintergrund, steht allerdings auch originär deutschen Jugendlichen mit gravierenden sprachlichen Mängeln offen. Für ausländische Teilnehmer bietet dieser Kurs die Möglichkeit, das Sprachzertifikat "Deutsch B 1" zu erwerben, das eine wesentliche Voraussetzung zum Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft darstellt. Neben dem reinen Sprachunterricht werden auch Grundkenntnisse in Mathematik sowie grundlegende Unterrichtsinhalte zum politischen und gesellschaftlichen System der Bundesrepublik Deutschland vermittelt, wodurch insbesondere die Integrationsfähigkeit von Zuwanderern verbessert werden soll.
Ein weiteres Unterrichtsangebot im Elementarbildungsbereich richtet sich an diejenigen Gefangenen, deren schulische Entwicklung bereits in einem frühen Stadium stagnierte und die aufgrund ihres niedrigen Bildungsniveaus nicht über die notwendigen Voraussetzungen für einen regulären Einstieg ins Berufsleben verfügen. Diese Jugendlichen haben meist ihre allgemeine Schulpflicht bereits erfüllt und somit außerhalb des Strafvollzuges kaum mehr eine Chance, ihre elementaren Bildungsdefizite aufzuarbeiten. Durch die Inhaftierung wird ihnen jedoch nunmehr eine erneute Chance gegeben, ihren Bildungsstand im Hinblick auf weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen entscheidend zu verbessern – sei dies der nachträgliche Erwerb des Hauptschulabschlusses oder der Einstieg in eine berufliche Entwicklung.
Die Teilnehmer der Maßnahmen im Elementarbildungsbereich verfügen in der Regel nicht nur über mangelnde Bildungsvoraussetzungen, sondern weisen in hohem Maße auch weitere persönliche Defizite auf, die in der Regel in ursächlichem Zusammenhang mit den schulischen Versäumnissen stehen. Insofern ist ein zielorientiertes schulisches Bildungsangebot meist nur dann erfolgreich, wenn parallel dazu die psycho-soziale Komponente durch flankierende Maßnahmen hinreichend mit einbezogen wird.

Die Staatliche Berufsschule Ottweiler (SBO)

Lange vor den gesetzlichen Vorgaben des saarländischen Jugendstrafvollzugsgesetzes wurde in der JVA Ottweiler bereits ein Schwerpunkt auf das schulische und berufliche Bildungsangebot gelegt. Schon 1984 wurde ein eigenes modernes Schulzentrum in der Anstalt in Betrieb genommen und war als Staatliche Berufsschule Ottweiler (SBO) ausschließlich für den berufsvorbereitenden Unterricht sowie den ausbildungsbegleitenden Fachunterricht der Gefangenen zuständig. Ursprünglich gegründet wurde die Schule bereits 1967 als „Sonderberufsschule für schwererziehbare Jugendliche“, die nach einem Jahr in „Landesberufsschule Homburg“ (LBS) umbenannt wurde, um eine Stigmatisierung der Jugendlichen zu vermeiden. Deren Zuständigkeitsbereich wurde 1972 auf die JVA Ottweiler ausgeweitet, nachdem dort Ausbildungsbetriebe für jugendliche Straftäter eingerichtet worden waren. Die Lehrkräfte der SBO kommen überwiegend vom Berufsbildungszentrum in Lebach, dessen Schulleiter bzw. derzeitige Schulleiterin auch mit der Leitung der SBO beauftragt ist. In der Regel sind bis zu 15 haupt- und nebenamtlich Unterrichtende mit unterschiedlichen Stundenkontingenten zwischen 6 Wochenstunden und voller Stundenzahl in der Anstalt tätig. Die in der SBO erworbenen Qualifikationen und Abschlüsse verfügen über das Erscheinungsbild regulärer Schulzeugnisse; sie lassen somit in keiner Weise erkennen, dass sie in einer Justizvollzugsanstalt erworben wurden. Im Einzelnen werden folgende Bildungsangebote von der Staatlichen Berufsschule Ottweiler für die Gefangenen vorgehalten:

  • Reguläres BVJ
  • Produktionsschule (Abschlussbezogen)
  • Berufsschulunterricht / Fachklassen für die Auszubildenden der Ausbildungsbetriebe
  • Qualifizierungsbausteine in verschiedenen Handwerksbereichen

Infolge der sich stetig verändernden Gefangenenklientel, deren Bildungsvoraussetzungen sich heute auf einem weitaus problematischeren Niveau bewegen als noch vor einigen Jahren, wurde im Jahr 2005 in der SBO eine alternative Möglichkeit zum Erwerb des Hauptschulabschlusses in der JVA Ottweiler eingerichtet – und zwar über eine Sonderform des Berufsvorbereitungsjahres (BVJ), die als sogenannte Produktionsschule im Saarland eingeführt worden war, um BVJ-Schülern neben der Erfüllung ihrer Berufsschulpflicht auch noch eine nachträgliche Chance zum Erwerb des Hauptschulabschlusses einzuräumen.
Bereits aus dem Namen lässt sich ableiten, dass das Produktionsschul-BVJ primär praxisorientiert ist. Die Zahl der sonst üblichen theoretischen Schulfächer ist auf ein Mindestmaß reduziert, und deren Themen sind stark auf den berufsvorbereitenden Bedarf ausgerichtet. Neben den theoretischen Kenntnissen fließen vor allem auch praktische Inhalte in den Prüfungsbereich ein.
Für die aktuelle Gefangenenklientel erweist sich dieser Ansatz als ideal. Denn dadurch ist es nicht mehr zwingend erforderlich, gravierende Rückstände in bestimmten Unterrichtsfächern, die für den Einstieg ins Berufsleben nur eine untergeordnete Rolle spielen, in der für die Prüfungsvorbereitung zur Verfügung stehenden Zeit mühsam aufarbeiten zu müssen. Stattdessen wird auf vorhandene Ressourcen im praktischen Bereich zurückgegriffen, wobei Begabungen und Fähigkeiten gezielt gefördert und durch die notwendigen theoretischen Kenntnisse – vor allem in Deutsch, Mathematik, Physik, Wirtschafts- und Sozialkunde sowie praxisintegrierter Fachtheorie – ergänzt werden. Obgleich durch diese Vorgehensweise gewisse Einschränkungen im allgemeinbildenden Bereich in Kauf genommen werden, überwiegen für die Gefangenen doch eindeutig die Vorteile des Konzepts. Statt sich erneut theoretische Lerninhalte aneignen zu müssen, denen im Erfahrungskontext dieser Jugendlichen bislang nur wenig Bedeutung zukam, arbeiten sie konkret auf ein für sie attraktives Ziel hin, das ihnen langfristig eine Einstiegsmöglichkeit in eine eigenverantwortlich bestimmte Lebensführung bietet. Dadurch lassen sich generell die Chancen erhöhen, bislang eher bildungsunwilligen jungen Menschen, deren schulische Laufbahn überwiegend von Brüchen und Misserfolgen geprägt war, nun doch den Wert und Nutzen von Bildung zu vermitteln und sie in diesem Sinne zu motivieren. Zurzeit sind in der JVA Ottweiler 3 Produktionsschulklassen eingerichtet, die den Gefangenen den Erwerb eines Hauptschulabschlusses ermöglichen.
Das Modell einer Kooperation zwischen dem Berufsbildungszentrum Lebach und der JVA Ottweiler erweist sich seit vielen Jahren als äußerst effektiv und erfolgreich, zumal alle externen Lehrkräfte relativ eng in das Vollzugsgeschehen eingebunden sind. So ist beispielsweise der gesamte Schul- und Ausbildungsbetrieb sehr nah an die Vollzugsplanung gekoppelt – beginnend bei der Kompetenzfeststellung und der anschließenden Zuteilung zu einer bestimmten Maßnahme, ferner über die Verlaufsdokumentation der Bildungsmaßnahmen im elektronischen Vollzugsplan bis hin zur Weiterführung von Schule und Berufsausbildung über die Entlassung hinaus. Dabei umfasst der kontinuierliche Informationsaustausch alle zuständigen Dienste und gewährleistet, dass bei auftretenden Problemen neben den eigentlichen Bildungsmaßnahmen zusätzlich im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsansatzes stützende oder begleitende Angebote ermöglicht werden können – so beispielsweise zur Förderung der Motivation, zur speziellen Prüfungsvorbereitung, zur Bewältigung von persönlichen Krisen oder bei auftretenden Konflikten, die bei dieser schwierigen Zielgruppe nicht ausgeschlossen werden können.