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Justizvollzugsanstalt Ottweiler

Zuständigkeit

Nach dem Vollstreckungsplan für das Saarland ist die JVA Ottweiler mit Teilanstalt Saarlouis (offener Vollzug) zuständig für:

  1. Vollzug der Untersuchungshaft an männlichen Jugendlichen und Heranwachsenden
  2. Vollzug von Jugendstrafen an männlichen Verurteilten
  3. Vollzug von Freiheitsstrafen an männlichen Verurteilten,
    • die sich zum Zeitpunkt der Ladung auf freiem Fuß befinden, und gegen die Freiheitsstrafe mit einer Gesamtvollzugsdauer bis zu einem Jahr zu vollstrecken ist.
    • die sich zum Zeitpunkt der Ladung auf freiem Fuß befinden, und gegen die Freiheitsstrafe mit einer Gesamtvollzugsdauer von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren zu vollstrecken ist, und die bisher im In- oder Ausland keine oder keine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verbüßt haben.
    • Ausgenommen von der unmittelbaren Ladung in den offenen Vollzug sind Verurteilte, die
      • aufgrund des Widerrufs einer Bewährungsstrafe einen Strafrest bis zu einem Jahr zu verbüßen haben und nicht Erstverbüßer sind,
      • eine Freiheitsstrafe wegen Straftaten gemäß den §§ 174 bis 180, 182 StGB zu verbüßen haben sowie nach § 323a StGB Verurteilte, soweit das Grunddelikt eine der vorgenannten Straftaten war.
  4. Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen an männlichen Verurteilten
  5. Vollzug von Durchlieferungs- und Auslieferungshaft an männlichen Jugendlichen und Heranwachsenden
  6. Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft an männlichen Jugendlichen, Heranwachsenden und Erwachsenen

Aufgaben und Ziele des Strafvollzugs

Gemäß den Vollzugsgesetzen soll der Gefangene im Vollzug der Freiheits- oder Jugendstrafe befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Daneben dient der Strafvollzug auch dem Schutze der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Er steht somit im Spannungsverhältnis zwischen Resozialisierung und dem Schutz der Allgemeinheit. Ein reiner Verwahrvollzug, der ausschließlich die Interessen von Sicherheit und Ordnung berücksichtigt, würde dem gesetzlich vorgegebenen Resozialisierungsauftrag nicht gerecht werden. Daher realisieren wir einen ressourcenorientierten, fördernden aber auch den Gefangenen fordernden Vollzug, der zum systematischen Aufbau von prosozialen Wahrnehmungs- und Verhaltenskompetenzen führt.

Ziel jeglicher Förderangebote darf dabei nicht lediglich die Anpassung des Gefangenen an eine möglichst reibungslose Anstaltsroutine sein, sondern er muss darin bestärkt werden, seine Rechte und Pflichten in eigener sozialer Verantwortung wahrnehmen zu können. Die so definierte Mündigkeit des Gefangenen setzt voraus, dass er sich über sein vorangegangenes sozialschädliches Verhalten und seine persönliche Problem- und Konfliktlage bewusst wird. Neben der Aufarbeitung seiner Kriminalität und seines Fehlverhaltens erhält der Gefangene Unterstützung in der Bewältigung seiner Probleme und Defizite. Der Gefangene soll aber auch langfristig in die Lage versetzt werden, Lernprozesse selbst zu steuern.

Die Möglichkeit zum Erwerb sogenannter „Schlüsselqualifikationen" und somit der Ausbau der eigenständigen Entwicklung findet seine Grenze jedoch naturgemäß im Bereich der Sicherheit und Ordnung der Anstalt. Deshalb müssen die baulichen und organisatorischen Gegebenheiten der Strafanstalt sowie alle vollzuglichen Maßnahmen zunächst einmal darauf ausgerichtet sein, dass die Gefangenen während ihrer Inhaftierung sicher untergebracht sind und von ihnen keine Gefährdung der Bevölkerung ausgeht. Die Verhinderung weiterer Straftaten darf allerdings nicht nur auf die Dauer der Haft reduziert sein. Vielmehr müssen alle Bemühungen und Maßnahmen auf eine möglichst dauerhafte Sicherheit der Gemeinschaft über die Zeit des Freiheitsentzugs hinaus ausgelegt sein. Dies kann nur durch eine erfolgreiche soziale (Re-) Integration von Straftätern in die Gesellschaft erreicht werden.

Ein chancenorientierter Justizvollzug fördert Bedingungen, die es dem Gefangenen ermöglichen, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Um den Inhaftierten an einen eigenverantwortlichen Umgang mit der späteren Freiheit heranzuführen soll er lernen, entsprechende Handlungs- und Entscheidungsspielräume sinnvoll auszugestalten. Dieser Lernprozess muss überwiegend während der Inhaftierung erfolgen, da die richtungsweisenden Rahmenbedingungen des Strafvollzugs mit der Entlassung des Gefangenen wegfallen und er danach sein Leben in eigener Verantwortung führen muss. Daher sollten die Forderungen und Erwartungen an den Gefangenen nicht allein aus dem äußerlichen Ordnungs- und Sicherheitsbestreben der Anstalt resultieren. Denn ein nur äußerlich angepasster Gefangener ist rückfallgefährdeter, als derjenige, dessen Verhaltensänderung auf tatsächlicher Einsicht beruht. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass Sicherheit und Behandlung im Strafvollzug nur scheinbare Gegensätze darstellen. Tatsächlich ist es so, dass sich Behandlungskonzepte umso besser realisieren lassen, je sicherer und geordneter sich die Bedingungen in der Anstalt darstellen. Insofern ergänzen und fördern sich behandlerische und sicherheitsrelevante Interessen des Strafvollzugs im Idealfall gegenseitig.

Deliktaufarbeitung

Einen unverzichtbaren Bestandteil des Resozialisierungsprozesses bildet die so genannte Deliktaufarbeitung. Diese beinhaltet eine intensive Auseinandersetzung des Gefangenen mit den von ihm begangenen Straftaten unter besonderer Berücksichtigung des Tatmotivs, des Tathergangs sowie des Tatmusters. Ziel ist es, eine Tateinsicht und Opferempathie zu bewirken. „Die Einsicht in die beim Opfer verursachten Tatfolgen" (§ 3, Abs. 1 SJStVollzG) sind im saarländischen Jugendstrafvollzugsgesetz explizit als Bestandteil des Erziehungsauftrages benannt. Grundlage der Aufarbeitung der kriminellen Vorbelastung ist die genaue Analyse der Täterpersönlichkeit im Rahmen der Sozialanamnese bzw. der gesamten Basisdiagnostik.

Aufgabe der Deliktaufarbeitung ist eine größtmögliche Rückfallprävention. Durch das Herausarbeiten kriminogener und kriminovalenter Tat- und Persönlichkeitsmerkmale sollen zunächst dissoziale Einstellungen und Verhaltensweisen deutlich gemacht werden, damit weitere behandlerische Interventionen überhaupt möglich werden. Auf dieser Grundlage muss überlegt werden, welche Maßnahmen zur Reduzierung der delinquenzrelevanten Faktoren geeignet sind und sich während der Inhaftierungszeit durchführen lassen. Langfristiges Ziel ist es, hinsichtlich einer künftigen Delinquenzvermeidung nachhaltige kriminoresistente Strukturen aufzubauen und zu verfestigen.

Die Deliktaufarbeitung erfolgt in Einzel- und Gruppengesprächen mit Hilfe spezieller verhaltenstherapeutischer Strategien sowie durch gezielte psycho-soziale Trainingsmaßnahmen. Ergänzt werden diese durch begleitende Maßnahmen zur Aufarbeitung von Sozialisationsdefiziten und durch Angebote zur Förderung sozialer Kompetenzen, wie sie insbesondere im Wohngruppenvollzug regelmäßig durchgeführt werden. Dabei wird nach Möglichkeit das soziale Bezugssystem so weit wie möglich mit eingebunden. Die Ergebnisse werden von den Behandelnden rückgemeldet und in Form von Berichten sowie über den elektronischen Vollzugsplan in den gesamten Behandlungs- und Förderprozess des Gefangenen eingebracht.

Elektronischer Vollzugsplan

Elektronischer Vollzugsplan - Instrument zur Bedarfsermittlung und Evaluation

Das Saarland ist das erste Bundesland, welches dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten Evaluationsgedanken mittels eines im Jahre 2009 selbst entwickelten elektronischen Vollzugsplanes Rechnung trägt. Der elektronische Vollzugsplan erfasst alle dazu erforderlichen Daten bereits vom Haftbeginn an und aktualisiert sie kontinuierlich über den weiteren Vollzugsverlauf hinweg bis zum Ende der Zuständigkeit der Nachsorge, also weit über den eigentlichen Entlassungszeitpunkt hinaus.
Die Konzeption dieses Vollzugsplanes erfolgte jedoch nicht ausschließlich aufgrund der Vorgabe, „Behandlungsprogramme für die Gefangenen … auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen“ (§ 97, Abs. 1 SJStVollzG), sondern wurde ebenso als Instrument zur Bedarfsermittlung entwickelt, das die konsequente Erfassung aller für die Vollzugsplanung relevanten Daten gewährleistet und gleichzeitig eine gemeinsame Informations- und Kommunikationsbasis für alle beteiligten Dienste zwecks koordinierter Planung und Durchführung aller erforderlichen Behandlungs- und Fördermaßnahmen darstellt. Da während der Untersuchungshaft wegen der fehlenden Verurteilung noch kein Vollzugsplan erstellt werden kann, kommt dort eine modifizierte Variante in Form eines Erhebungsbogens zum Einsatz, der auf die spezifischen Verhältnisse der Untersuchungshaft abgestimmt ist und später nach der Umsetzung in Strafhaft in den offiziellen Vollzugsplan überführt wird. Ähnlich gestaltet sich das Übergangsmanagement in den Nachsorgeplan, der ebenfalls alle relevanten Daten aus dem Haftverlauf übernimmt und anhand eigens auf den Bedarf von Nachsorge und Nachbetreuung abgestimmter Kriterien immer wieder aktualisiert wird.
Durch das breit angelegte und kontinuierliche Erfassen von Informationen ist immer eine zeitnahe und jeweils aktuell bedarfsgerechte Vollzugsgestaltung sichergestellt. Bei der späteren Evaluation lässt sich sowohl die Eignung eines Klienten als auch die Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme jederzeit anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien überprüfen. Die regelmäßige Aktualisierung aller Daten ermöglicht darüber hinaus eine lückenlose Dokumentation des Maßnahmenverlaufs. Dabei beschränkt sich die Auswertbarkeit der Informationen nicht nur auf den jeweiligen Teilnehmer, sondern ermöglicht auch eine differenzierte Bewertung der Maßnahme selbst. Daraus lassen sich generelle Aussagen ableiten, inwieweit das vollzugliche Behandlungs- und Förderangebot auch dem tatsächlichen Bedarf der Klientel entspricht oder ob entsprechende Modifizierungen und Anpassungen angezeigt sind. Dies betrifft schulisch-berufliche Qualifizierungsmaßnahmen gleichermaßen wie Sport- oder Freizeitangebote. Parallel dazu werden auch alle den Bereich Sicherheit und Ordnung betreffenden Ereignisse dokumentiert, wie beispielsweise die Disziplinarmaßnahmen.
Abschließend lassen sich die Vorteile, die der elektronische Vollzugsplan der JVA Ottweiler bietet, folgendermaßen zusammenfassen: Erstens wird eine aktuelle Bestandsaufnahme der Klientel im saarländischen Jugendstrafvollzug ermöglicht. Zweitens können differenzierte Rückfall- und Risikoraten ermittelt werden – und zwar für die Gesamtgruppe der Gefangenen als auch für Subgruppen. Drittens lassen sich mit Hinblick auf effektiv anzuwendende Behandlungsmaßnahmen zielgruppenspezifische Faktoren benennen. Viertens lassen sich Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnisstrukturen und Entwicklungsverläufen identifizieren. Fünftens können vielfältige Erkenntnisse zur Weiterentwicklung des saarländischen Jugendstrafvollzuges abgeleitet werden. Darüber hinaus bleibt es sechstens nicht bei einem in der Evaluation häufig zu beobachtenden statischen Ansatz, sondern durch den kontinuierlichen Blick auf den Vollzugsverlauf liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der dynamischen Ebene. Dadurch lässt sich siebtens der Plan infolge seiner hohen Flexibilität jederzeit problemlos den veränderten Bedingungen oder Anforderungen anpassen. Zuletzt sei achtens noch erwähnt, dass der zu betreibende Aufwand zur Erhebung der Daten in optimaler Relation zu deren vielfältiger Nutzbarkeit  steht. Insgesamt handelt es sich also um eine sehr effektive und ressourcenschonende Verfahrensweise.
Insofern stellt der elektronische Vollzugsplan der JVA Ottweiler ein äußerst hochwertiges und multifunktionales Instrument eines modernen Jugendstrafvollzuges dar, mit dem sich unterschiedlichste Aufgabenbereiche abdecken lassen. Der Plan ist seit 2010 in Anwendung, wobei immer wieder leichte Modifizierungen zwecks Optimierung vorgenommen wurden.