Der neue VEP ÖPNV Saarland
Das Gesetz über den Öffentlichen Personennahverkehr im Saarland (ÖPNVG) definiert die Ziele und Anforderungen sowie die Zuständigkeiten für die Planung und Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im Saarland. Das grundlegend novellierte ÖPNVG ist am 30. November 2016 in Kraft getreten und hat die alte Fassung aus dem Jahr 1995 ersetzt. Der Verkehrsentwicklungsplan für den Öffentlichen Personennahverkehr Saarland (VEP ÖPNV) ist darin definiert als zentrales Instrument für die mittelfristige Planung und Weiterentwicklung des ÖPNV.
Die Planung des ÖPNV im Saarland erfolgt in einer zweistufigen Planungshierarchie. Der vom Ministerium für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz (MUKMAV) aufgestellte VEP ÖPNV umfasst strategisch-konzeptionelle Leitbilder und Ziele für den gesamten ÖPNV im Saarland sowie konkrete Planungen für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und das landesweite Busliniennetz. Die Ausgestaltung des lokalen Nahverkehrs erfolgt durch die kommunalen Aufgabenträger, die hierzu einen Nahverkehrsplan aufstellen. Dieser definiert das Nahverkehrsangebot für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich des Aufgabenträgers. Der Nahverkehrsplan beinhaltet somit sowohl die Vorgaben des VEP ÖPNV sowie die Ziele der Raumordnung und Landesplanung, des Umweltschutzes und des Städtebaus als auch weitere definierte Anforderungen.
Der VEP ÖPNV und die kommunalen Nahverkehrspläne sollen gemeinsam auf die im ÖPNVG definierten Ziele und Anforderungen hinwirken und diese konkretisieren. Hierzu gehören u. a.
- die Sicherstellung eines ausreichenden Verkehrsangebots im ÖPNV, das einer umweltverträglichen Siedlungs- und Raumentwicklung sowie der Herstellung und Sicherung möglichst gleichwertiger Lebensbedingungen dient und als attraktive Alternative zum motorisierten Individualverkehr zur Verfügung steht,
- die Schaffung leistungsstarker ÖPNV-Verbindungen zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität und der wirtschaftlichen Dynamik in der Region,
- die Integration von öffentlichem Schienen- und Straßenverkehr in einem integralen Taktfahrplan,
- eine hohe Betriebsqualität (Zuverlässigkeit, kurze Reisezeiten, Anschluss- und Übergangssicherheit, Pünktlichkeit, Sicherheit, kundenfreundliches Verhalten, Sauberkeit und aktuelle Fahrgastinformationen, ein leicht zugängliches und transparentes Fahrpreis- und Vertriebssystem sowie ausreichende Kapazitäten),
- eine angemessene Erreichbarkeit von Arbeitsstätten, Versorgungs- und Dienstleistungszentren sowie von kulturellen und touristischen Angeboten,
- eine Steigerung der Nutzerfreundlichkeit des Systems und eine Senkung bestehender Zugangshemmnisse
- die Förderung von Verknüpfungen mit individuellen Verkehrsmitteln (Intermodalität) sowie
- der Ausbau von Infrastruktur und Angebot, soweit dies dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht und sich hinsichtlich der Nachfrage rechtfertigt.
Der bisher einzige VEP ÖPNV wurde im Jahr 1998 herausgegeben. Da dieser sowohl hinsichtlich der Rahmenbedingungen als auch der Ziele und Inhalte überholt war, hat das MWAEV im Sommer 2016 beschlossen, einen neuen VEP ÖPNV aufzustellen.
Aufbau und Methodik des neuen VEP ÖPNV
Ziel des neuen VEP ÖPNV ist die strategische Weiterentwicklung des landesweiten Bahn- und Busnetzes. Grundlage für den neuen VEP ÖPNV bildet eine Bestandserfassung im Saarland inklusive aller grenzüberschreitenden ÖPNV-Angebote des Landesnetzes. Die Raum- und Siedlungsstruktur bedingt Verkehrsverflechtungen, die attraktive Angebote im ÖPNV benötigen. Gesetzliche Rahmenvorgaben bilden die Grundlage, innerhalb derer eine Weiterentwicklung des Bahn- und Busangebots im Saarland erfolgen kann. Die Bestanderfassung und -analyse stellt zudem alle seit dem ersten VEP ÖPNV 1998 durchgeführten Untersuchungen zu regional bedeutsamen Mobilitätsprojekten zusammen.
Der VEP ÖPNV setzt acht Oberziele mit jeweiligen Teilzielen, mit denen das Landesnetz aus Bahn- und Buslinien auch über die Grenzen des Saarlands hinaus weiter an Attraktivität gewinnt. Dies gilt für die gesamte Reisekette mit Vorab-Information, Stationserreichbarkeit und Verbindungsqualitäten, genauso wie für übergeordnete Herausforderungen zum effizienten Einsatz von Ressourcen und einem positiven Image des ÖPNV.
Basierend auf einer raumordnerischen Herleitung werden unterschiedliche Verbindungskategorien im Landesnetz und in die angrenzenden Räume definiert und – in Abhängigkeit der Bedeutung der Verbindungen aufgrund ihrer zentralörtlichen Funktionen sowie ihren Vorgaben und Bedienungsstandards (Fahrtenhäufigkeit, Bedienungszeiträume, Umsteigehäufigkeiten sowie Reisezeitverhältnis zum Auto) – für das Landesnetz festgelegt. Die Fragestellungen lauten:
- Welche Verbindungen werden bereits heute im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) abgedeckt?
- Wo lassen sich das Eisenbahn-Netz und Saarbahn-Netz für den ÖPNV sinnvoll erweitern?
- Auf welchen landesbedeutsamen Verbindungen ergänzt das Landesbusliniennetz das SPNV-Netz und wie wird es weiterentwickelt?
Diese Fragestellungen bilden die Grundlage für die Erarbeitung des strategischen Entwicklungskonzepts anhand der definierten Standards und Vorgaben. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Prüfung von Strecken zur verkehrlichen und volkswirtschaftlich sinnvollen Ergänzung des bestehenden SPNV-Netzes (einschließlich des Saarbahn-Netzes) in Anlehnung an die Standardisierte Bewertung im ÖPNV. Die dabei ermittelten volkswirtschaftlich sinnvollen Netzergänzungen fließen in das Entwicklungskonzept ein. In drei Szenarien zeigt das strategische Entwicklungskonzept auf, welche Möglichkeiten mit den jeweiligen finanziellen Herausforderungen für die Weiterentwicklung des landesweiten Bahn- und Busangebots für das Saarland denkbar sind. Die jeweiligen Szenarien beinhalten in sich schlüssige Maßnahmenpakete mit unterschiedlich hohem Investitionsbedarf, der sich insbesondere bei den zu reaktivierenden Bahnstrecken widerspiegelt. Änderungen im finanziellen Gestaltungsspielraum können so jederzeit möglichen Szenarien zugeordnet werden. Darüber hinaus werden für die Szenarien jeweils die notwendigen Investitions- und Betriebskosten sowie die zu erwartende Zahl an Neufahrgästen, die Gesamtreiseweiten und die Auswirkungen für den Klimaschutz abgebildet.
Neben der Weiterentwicklung des Bahn- und Busangebots im Landesnetz deckt der VEP ÖPNV weitere Handlungsfelder zur Verbesserung des ÖPNV im Saarland ab. Sie bilden teilweise einen übergeordneten Rahmen für das Gesamtsystem (z. B. Tarif, Service, Komfort und Barrierefreiheit). Die Handlungsfelder sind mit Maßnahmensteckbriefen hinterlegt, die neben dem Bezug zum Zielsystem die Kosten und Wirkungen, die Zuständigkeiten und beteiligte Akteure darstellen.
Beteiligungsprozess
Verschiedene Beteiligungsformate begleiteten den Aufstellungsprozess des VEP ÖPNV. Ein speziell hierzu gegründeter Projektbeirat begleitete den gesamten Aufstellungsprozess von
Beginn an. Aufgabe des Beirats war es, das Ministerium bei der Aufstellung zu beraten, Anregungen im Erstellungsprozess zu geben und insbesondere (Zwischen-)Ergebnisse während der einzelnen Arbeitsschritte von den Analysen über die Ziele bis hin zu den Szenarien und Maßnahmen methodisch und fachlich zu diskutieren. Mitglieder des Projektbeirats waren die einzelnen Aufgabenträger sowie ihr Zusammenschluss, der Zweckverband Personennahverkehr Saarland (ZPS), die Zweckverbände SPNV Rheinland-Pfalz Süd bzw. Nord, die Verkehrsverbundgesellschaft der Verkehrsunternehmen im Saarland – die Saarländische Nahverkehrs-Service GmbH (SNS) –, die Verkehrsunternehmen Saarbahn GmbH, DB Regio AG Region Mitte und vlexx GmbH, die Eisenbahninfrastrukturbetreiber Saarbahn Netz GmbH, DB Netz AG und DB Station & Service AG, die Industrie- und Handelskammer Saarland und die Arbeitskammer des Saarlandes, Fahrgast- und Kundenbeiräte, Verkehrsverbände, das Ministerium für Inneres, Bauen und Sport (Abteilung Landes- und Stadtentwicklung, Bauaufsicht und Wohnungswesen), das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (Abteilung Naturschutz, Forsten) sowie die Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Der Beirat war maßgeblich an der Erarbeitung des Zielsystems und der Qualitätsstandards, an der Methodik zur Entwicklung, an den Vorschlägen zur Gestaltung des Landesnetzes und an den Maßnahmen in den einzelnen Handlungsfeldern beteiligt.
Sehr frühzeitig wurde im Aufstellungsprozess deutlich, dass bestimmte Themenfelder eine noch weitergehende Beteiligung von Expertinnen und Experten erfordern. Hierzu gehören die Themen Barrierefreiheit, Ländlicher Raum, Digitalisierung und Information, Grenzüberschreitender Verkehr und Tarif. Zum Handlungsfeld Tarif wurde 2018 ein eigenes Tarifgutachten separat in Auftrag gegeben. Die vier anderen Handlungsfelder wurden mit den Beiratsmitgliedern und weiteren Expertinnen und Experten aus dem Saarland, anderen Bundesländern und dem benachbarten Ausland in speziellen Fokusgruppen intensiv aufbereitet, diskutiert und konkrete Handlungsergebnisse für den VEP ÖPNV abgeleitet.
Die Bürgerinnen und Bürger des Saarlandes konnten sich aktiv in den Erstellungsprozess einbringen. Während des Aufstellungsprozesses des VEP ÖPNV fanden drei Öffentlichkeitsveranstaltungen statt, die nicht nur Informationen zum Aufstellungsprozess boten, sondern unter dem Motto „Dialog zwischen Bürgern und Experten“ zu drei wesentlichen Arbeitsständen Austausch und Anregung an extern moderierten Themenständen und Workshop-Runden ermöglichten. Dieses Angebot nutzten die Saarländerinnen und Saarländer intensiv; zahlreiche Anregungen und Hinweise flossen sodann in den Erstellungsprozess ein. Ebenso intensiv wurde die Beteiligungsmöglichkeit über den Onlinedialog genutzt. Während des gesamten Erarbeitungsprozesses bestand die Möglichkeit, über eine Webseite Anregungen und Vorschläge zum VEP ÖPNV zu geben und sich über den jeweils aktuellen Stand zu informieren (vgl. Anhang B1). Insgesamt sind über diesen Weg mehr als 230 Anregungen für den VEP ÖPNV eingegangen. Wesentliche Erkenntnisse für die Maßnahmenentwicklung flossen darüber hinaus aus einer repräsentativen Befragung von 1.000 Bürgerinnen und Bürgern zum ÖPNV im Saarland zur Bewertung des ÖPNV und zu den Ansprüchen an das Bahn- und Busangebot ein, die im Rahmen des Tarifgutachtens im Juli 2018 durchgeführt wurde.
Einordnung in die aktuelle Situation
Die gesamte Analyse, Konzeption und Abstimmung der Inhalte und Maßnahmen des VEP ÖPNV war im Februar 2020 weitestgehend abgeschlossen. Auswirkungen der Coronavirus- Pandemie, die gerade auch im ÖPNV aktuell zu verzeichnen sind, wurden bewusst nicht in den VEP ÖPNV integriert, da derzeit weder die Dauer noch die langfristigen Wirkungen des Infektionsgeschehens absehbar sind. Zudem hätte die Analyse erneut vorgenommen und die Fertigstellung des VEP ÖPNV um Jahre aufgeschoben werden müssen. Daher wurde entschieden, den VEP ÖPNV so schnell wie möglich zum Abschluss zu bringen und in Kraft zu setzen. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die im VEP ÖPNV vorgesehenen Maßnahmen zur Förderung des ÖPNV unabhängig von der Pandemie sinnvoll sind. Da ohnehin eine kontinuierliche Evaluation des Umsetzungsprozesses des VEP ÖPNV vorgesehen ist, werden auch die Auswirkungen der Pandemie Berücksichtigung finden. Näheres zur Evaluation finden Sie hier.