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Saarländisches Oberlandesgericht legt dem Bundesgerichtshof Frage der Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen („Blitzermessungen“) vor.  

Bei der Ahndung von Geschwindigkeitsverstößen besteht derzeit eine erhebliche Rechtsungleichheit zwischen der Rechtslage im Saarland und den übrigen Bundesländern

Im Saarland unterliegen – anders als in den übrigen Bundesländern – die Ergebnisse der gängigen Geschwindigkeitsmesssysteme regelmäßig einem Beweisverwertungsverbot. Dem liegt eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019 (Az.: LV 7/17) zugrunde, wonach es an einem fairen rechtsstaatlichen  Verfahren  fehlt,  wenn  die  bei  einer  Geschwindigkeitsmessung erzeugten und verarbeiteten Daten (sog. Rohmessdaten) nicht gespeichert werden und  dem  Betroffenen  dadurch  im  Einzelfall  eine  nachträgliche  Überprüfung  des amtlichen Messergebnisses nicht möglich ist. Anders als die Gerichte in anderen Bundesländern,  für  die  die  Rechtsprechung  des  Verfassungsgerichtshofs  des Saarlandes keine Geltung hat, dürfen die saarländischen Gerichte einen Betroffenen, der sich gegen das Messergebnis wendet, in einem solchen Fall daher nicht allein auf Grundlage des Messergebnisses verurteilen. 

Um diese Rechtsungleichheit innerhalb der Bundesrepublik zu beseitigen, hat der Bußgeldsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in einem Verfahren, in dem sich ein Betroffener gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung wendet, mit Beschluss  vom 10. April 2025 dem Bundesgerichtshof die Frage vorgelegt, ob Geschwindigkeitsmessergebnisse unverwertbar sind, wenn die bei der Messung erzeugten und verarbeiteten Daten (sog. Rohmessdaten) nicht gespeichert werden und dem Betroffenen dadurch im Einzelfall eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses nicht möglich ist. 

 

Hintergrund:

  1. Soweit ersichtlich  speichert  keines  der  derzeit  in  der  Bundesrepublik  Deutschland  amtlich zugelassenen   Geschwindigkeitsmesssysteme   die   bei   der   Messwertermittlung   erzeugten   und verarbeiteten Daten (sog. Rohmessdaten). 
  2. Im Bußgeldverfahren  können  die  Gerichte  gleichwohl  grundsätzlich  die  Ergebnisse  solcher standardisierter Messverfahren aufgrund deren amtlicher Zulassung und Eichung, die gewährleisten, dass Messungen unter denselben oder gleichen Bedingungen nach wissenschaftlicher Erkenntnis zu gleichen Resultaten führen, ohne nähere Überprüfung und Darlegung ihrer Richtigkeit einer Verurteilung zugrunde legen, soweit keine substantiierten Einwände gegen ihre Korrektheit erhoben werden. 
  3. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes, dass Ergebnisse standardisierter Messverfahren gleichwohl verfahrensrechtlich einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, wenn die bei der Messung erzeugten und verarbeiteten Daten (sog. Rohmessdaten) nicht gespeichert werden, dem Betroffenen dadurch im Einzelfall eine nachträgliche Überprüfung des amtlichen Messergebnisses nicht möglich ist  und  er  sich  deshalb  gegen  das  Messergebnis  wendet,  sind  Verfassungs-  und Obergerichte anderer Bundesländer bislang ausnahmslos entgegengetreten. 
  4. Entscheidungen des  Verfassungsgerichtshofs  des  Saarlandes  binden,  auch  wenn  sie  eine Rechtsfrage bundesrechtlicher Natur betreffen, ausschließlich  die saarländischen Gerichte. Diese Bindung gilt auch dann, wenn Gerichte eines anderen Bundeslandes abweichende verfassungsrechtliche Auffassungen vertreten sollten. Die Bindungswirkung entfällt erst durch eine abweichende spätere Entscheidung eines Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts. 

Zur Erwirkung einer solchen, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sichernden bundesgerichtlichen Entscheidung steht den Bußgeldsenaten im Ordnungswidrigkeitenverfahren gem. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG die Möglichkeit der Vorlage an den Bundesgerichtshof zu.  

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Pressesprecher RiLG Dr. Abel

Dr. Sebastian Abel
Richter am Landgericht, stellvertretender Leiter der Gemeinsamen Pressestelle

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