| Oberverwaltungsgericht des Saarlandes | Gerichte und Staatsanwaltschaft

Pressemitteilung 6/23

OVG begründet Grubenwasser-Entscheidungen

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis hat nunmehr die Entscheidungsgründe seiner aufgrund der mündlichen Verhandlungen vom 20. Juni 2023 ergangenen Urteile veröffentlicht, mit denen die Klagen der Kreisstadt Saarlouis und ihrer Stadtwerke - 2 C 220/21 -, der Gemeinde Merchweiler - 2 C 251/21 - sowie des Vereins ProH2O Saar e.V. - 2 C 250/21 - abgewiesen wurden.

Alle Klägerinnen in diesen Verfahren wandten sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Oberbergamts des Saarlandes vom 17.08.2021 für einen Rahmenbetriebsplan der beigeladenen RAG AG zum „Heben und Einleiten von Grubenwasser am Standort Duhamel in die Saar als Folge des Ansteigenlassens des Grubenwasserspriegels auf – 320 m NHN in den Wasserprovinzen Reden und Ensdorf“.

Hintergrund ist, dass das in der Abbauphase unerlässliche Wassermanagement der saarländischen Steinkohlegruben durch Abfangen, Sammeln, zu Tage pumpen und Zuleitung zu vorhandenen Oberflächengewässern nach Einstellung des Bergbaus im Jahre 2012 fortgesetzt wurde. Gegenstand der angefochtenen Zulassung ist die vorübergehende Einstellung der Wasserhaltung in den beiden genannten Wasserprovinzen, die über eine bergbaulich geschaffene Verbindung bei – 383 m NHN verfügen, für etwa drei Jahre mit der Folge eines kontrollierten Ansteigenlassens des Grubenwassers auf – 320 m NHN. Nach Erreichen dieses Zielhorizonts sind die Wiederaufnahme der Wasserhaltung, eine Hebung des Wassers in Duhamel und dann eine zentrale Einleitung von jährlich etwa 19,8 Mio. cbm in die Saar bei Saarlouis-Fraulautern vorgesehen.

Der Beginn der Maßnahme ist abhängig von der Vollziehbarkeit eines gleichzeitig erlassenen Abschlussbetriebsplans des Bergamts Saarbrücken, der zahlreiche Detailregelungen und Auflagen enthält. Außerdem sind der Teilanstieg des Grubenwassers und seine unterschiedlichen Auswirkungen durch ein umfangreiches Monitoring zu beobachten und zu überwachen. Ferner ist durch technische Vorkehrungen sicherzustellen, dass der Anstieg bei Auftreten unerwarteter Ereignisse oder Umstände jederzeit gestoppt werden kann. Des Weiteren muss das Grubenwasser vor der Einleitung in die Saar zwecks Erfüllung der wasserrechtlichen Vorgaben in einer Behandlungsanlage aufbereitet werden.

Die Klägerinnen hatten neben einer Reihe verfahrensrechtlicher Einwände jeweils mit Bezug zu ihren Gebieten, Aufgaben und Liegenschaften unter Verweis auf Erfahrungen und Auswirkungen während der Abbauphase mögliche Schäden infolge des Teilanstiegs des Grubenwassers in Form von Senkungen und Hebungen des Bodens, Erschütterungen oder Vernässungen der Erdoberfläche und Gefährdungen durch Gasaustritte geltend gemacht. Der 2. Senat hat nach Auswertung zahlreicher Gutachten zu diesen Fragen eine Rechtsverletzung der Klägerinnen beziehungsweise – was die Klage des Umweltvereins angeht – durchgreifende Rechtsfehler im Bereich seiner Rügebefugnis durch die Genehmigungsentscheidung des Oberbergamts verneint und die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Rahmenbetriebsplan der Beigeladenen abgewiesen.

In den ausführlichen Entscheidungen (mit bis zu 187 Seiten) hat der zuständige 2. Senat alle Klagen als grundsätzlich zulässig angesehen und die Klagebefugnis der beteiligten Kommunen und Stadtwerke bejaht. Im Fall des Vereins ProH2O Saar e.V. besteht, so das Gericht, eine Klagebefugnis nur insoweit, als der Planfeststellungsbeschluss die Qualität der saarländischen Oberflächengewässer sowie des saarländischen Grund- und Trinkwassers betrifft.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Klagen aber als unbegründet angesehen. Hierzu hat es unter anderem ausgeführt, dass die Beschränkung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Auswirkung eines beantragten Teilanstiegs von Grubenwasser in ehemaligen Steinkohlegruben durch zeitweisen Verzicht auf Pumpenbetrieb (hier bis zum Zielniveau von – 320 m NHN, „Phase 1“) – ohne Einschluss einer späteren möglichen, bisher aber nicht zur Zulassung beantragten und hinsichtlich der rechtlichen Realisierbarkeit ungewissen vollständigen Einstellung der Grubenwasserhaltung mit der Folge eines Anstiegs zur Erdoberfläche und eines drucklosen Auslaufs des Grubenwassers in Oberflächengewässer („Phase 2“) – keinen grundsätzlichen rechtlichen Bedenken unterliegt.

Hinsichtlich der beteiligten Kommunen haben die Saarlouiser Richter weiter betont, inwieweit die konkreten Auswirkungen eines geplanten Teilanstiegs von Gru­benwasser unter den Aspekten drohender Senkungen und Hebungen sowie Erschütterungen („Grubenbeben“) von Relevanz sind, sei von Gemeinde zu Gemeinde gesondert zu beurteilen und hänge von zahlreichen Umständen wie zum Beispiel der Nähe zu einem sog. Hebungsrandbereich und/oder dem Ausmaß ihrer früheren Betroffenheit durch bergbaubedingte Ereignisse während der Abbauphase ab. Allerdings sei der Aspekt einer Trinkwassergefährdung nach Ansicht des Bundesverwal­tungsgerichts grundsätzlich kein von der Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 117 Abs. 3 SVerf) umfasster Aspekt des Gemein­wohls, so dass sich eine Gemeinde, die keine eigene Wasserversorgung betreibt, darauf nicht mit Erfolg berufen könne (anders als ggf. ein Stadtwerk oder ein Umweltverband).

Hinsichtlich der Klage des Vereins ProH2O Saar e.V. hat der 2. Senat weiter dargelegt, dass das Wasserrecht und das Bergrecht ausreichende gesetzliche Möglichkeiten des Einschreitens böten, falls einzelne Nebenbestimmungen nicht eingehalten werden oder sich als unzureichend erweisen sollten. Welche Maßnahmen im konkreten Fall erforderlich seien, hänge von den jeweiligen Einzelfallumständen (z.B. der Art und dem Umfang erhöhter Stoffausträge) ab und könne schon deshalb nicht im Vorhinein abschließend festgelegt werden. Bestehe bei dem beantragten Anstiegsniveau von – 320 m NHN zwischen dem Grundwasserstand im Hauptgrundwasserleiter, also dem Punkt, an dem Trinkwasser gewonnen wird, und dem Flutungsziel ein Potentialunterschied oder Druckunterschied von mehreren 100 m, sei, so das Gericht, eine Veränderung der Beschaffenheit des für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung genutzten Grundwassers aber regelmäßig ausgeschlossen. Vernässungen seien ebenfalls nicht zu erwarten.

Die Revision wurde in allen drei Verfahren nicht zugelassen; den unterlegenen Klägerinnen steht insoweit die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht offen.

Weiter anhängig beim OVG des Saarlandes sind die Klagen der Städte Dillingen und Lebach, der Gemeinden Saarwellingen, Wallerfangen, Heusweiler, Nalbach und Schmelz sowie der DB Netz AG gegen denselben Planfeststellungsbeschluss. Wann über diese Verfahren entschieden wird, ist derzeit nicht absehbar.

Alle drei bisher ergangenen Urteile zu der Thematik sind im Volltext auf der Homepage des Gerichts zu finden (www.ovg.saarland.de/Wir über uns/Aktuelle Meldungen/Spruchpraxis).

 

Medienansprechpartner

Stephan Körner
Richter am OVG

Kaiser-Wilhelm-Straße 15
66740 Saarlouis