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4.3 Auswirkungen auf den Saarsport

Der infolge der Abstimmung vom 23. Oktober 1955 und der anschließenden Verhandlungen beschlossene Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar 1957 hatte tiefgreifende Auswirkungen auf den Saarsport, der in der Saarstaatsära auch autonom geworden war: Die Sportverbände fassten in den Weltverbänden wie der FIFA Fuß, die Sportler nahmen für das Saarland an Weltmeisterschaften teil und das Olympische Komitee des Saarlandes stellte eine Saardelegation mit Offiziellen und Olympioniken bei den Olympischen Spielen. Einerseits war diese internationale Ausrichtung des saarländischen Sports politisch gewollt und gefördert, um den Autonomiegedanken in der eigenen Bevölkerung zu festigen und gleichzeitig international zu proklamieren. Andererseits sehnten viele Sportler – nicht nur unter den Turnern und Fußballern – seit Jahren die reguläre Teilhabe am deutschen Wettkampfsystem bzw. Spielbetrieb herbei. In Vorbereitung der Rückgliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik galt es nun auch den Autonomiestatus des Saarsports abzuwickeln, seine internationalen Mitgliedschaften aufzukündigen, sich in die bundesdeutsche Sportorganisation einzugliedern und Saarsportler bei internationalen Veranstaltungen in deutsche Mannschaften miteinzubeziehen.

 

 

 

Rückgliederung der Sportverbände

Zustimmung des saarländischen Innenministeriums zum beantragten Wiederanschluss an die deutschen Sportverbände unter Zugrundelegung des aktuelleren Vereinsgesetzes; LSVS-Präsident Lücke hatte sich auf eine ältere, inzwischen obsolete Fassung berufen. Sportarchiv_LSVS_126_Zustimmung
Zustimmung des saarländischen Innenministeriums zum beantragten Wiederanschluss an die deutschen Sportverbände unter Zugrundelegung des aktuelleren Vereinsgesetzes; LSVS-Präsident Lücke hatte sich auf eine ältere, inzwischen obsolete Fassung berufen. Foto: Sportarchiv_LSVS 126

Der Landessportverband für das Saarland (LSVS) als Spitze des saarländischen Sports und Dachverband der saarländischen Sportfachverbände hat in der auf die Volksabstimmung nächstfolgenden Vorstandssitzung am 10. November 1955 beschlossen, die Fachverbände in die deutschen Bundesverbände zurückzuführen, sobald die staatsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt wären. Daher wartete man im LSVS zunächst die weitere Entwicklung ab und holte dann am 16. Januar 1956 die gemäß Vereinsgesetz hierfür notwendige Genehmigung beim saarländischen Innenminister ein, der diese nur zehn Tage später am 26. Januar 1956 erteilte.

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

Jedem Fachverband stand es nun offen, zu einem selbst gewählten Termin die Mitgliedschaft beim jeweiligen deutschen Spitzenverband zu begründen. Damit hatten die Verbände unter anderem die Gelegenheit, noch ausstehende internationale Verpflichtungen abzuwickeln. Die Rückgliederungen der Fachverbände erstreckten sich insgesamt von Januar 1956 bis ins Frühjahr 1957.
Am 29. Januar 1956 – nur drei Tage nach Ausstellung des erwähnten ministeriellen Genehmigungsschreibens – vollzog der Saarländische Turnerbund (STB) mit dem Anschluss an den Deutschen Turnerbund (DTB) als erster Fachverband die sportliche Rückgliederung an Deutschland im Rahmen eines außerordentlichen Bundesturntags des STB in Saarbrücken. Der Festakt, bei dem vor allem der DTB-Präsident Walter Kolb – „nebenbei“ auch Oberbürgermeister von Frankfurt am Main und Präsident des Deutschen Städtetags – und der saarländische Ministerpräsident Hubert Ney die tragende Rolle der saarländischen Turner würdigten, gilt als erste Wiedervereinigungsfeier nach der zweiten Saarabstimmung.

 

 

 

 

 

 

Seine eigene Rückgliederung unter das Dach des Deutschen Sportbundes (DSB) stellte der Landessportverband für das Saarland zunächst zurück, bis seine Fachverbände den Anschluss vollzogen bzw. die letzten sich im Antragsverfahren befanden. Die ersten Anläufe des LSVS für einen Anschluss zögerte der DSB-Präsident Willi Daume aufgrund noch zu erfüllender staatsrechtlicher Voraussetzungen und der zu klärenden Teilnahme der Saarsportler an den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne zunächst hinaus. Auch seine Kandidatur beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) spielte hierbei eine Rolle. Am 19. Januar 1957 wurde der LSVS schließlich im Rahmen der Präsidialsitzung des DSB in einer Feierstunde im Festsaal des Saarbrücker Rathauses in den Deutschen Sportbund aufgenommen. Aufgrund der Befürwortung der saarländischen Regierung wie auch des Großteils seiner Fachverbände gelang es dem LSVS, weiterhin Körperschaft des öffentlichen Rechts zu bleiben, obwohl für die deutschen Sportorganisationen die Rechtsform des eingetragenen Vereins vorgesehen ist.

 

 

 

 

 

 

 


Teilnahme an den Olympischen Spielen 1956

Grubenlampe als Gastgeschenk der OKS-Delegation an das finnische Organisationskomitee mit Widmung. Sports Museum of Finland_Helsinki_Mining lamp
Grubenlampe als Gastgeschenk der OKS-Delegation an das finnische Organisationskomitee mit der Widmung „Das Saarland grüßt Helsinki – Olympisches Komitee des Saarlandes – Weihnachten 1951“. Diese Grubenlampe wurde für den Transport des Olympischen Feuers im Flugzeug von Athen nach Aalborg genutzt. Foto: Sports Museum of Finland, Helsinki

Nachdem die Pläne gescheitert waren, das Saarland bereits 1948 als selbständige Olympische Nation anerkennen und an den Olympischen Spielen 1948 in London teilnehmen zu lassen, war der erneute Versuch zwei Jahre später von Erfolg gekrönt: Mit der Aufnahme des Saarlandes in die „olympische Völkerfamilie“ durch Beschluss des IOC am 15. Mai 1950 konnte das sich fünf Tage darauf konstituierte Olympische Komitee des Saarlandes (OKS) die Teilnahme des Saarlandes bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki vorbereiten. Vom 19. Juli bis 3. August 1952 (re-)präsentierten 24 Offizielle und 37 Aktive das Saarland international in Helsinki, Medaillen wurden keine errungen. In Vorbereitung der saarländischen Teilnahme klärten zwei OKS-Vertreter Einzelheiten Ende 1951 vor Ort in Helsinki mit dem finnischen Organisationskomitee ab. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Präsidenten des Organisationskomitees eine Grubenlampe aus dem Jahr 1910 als Gastgeschenk der Saar überreicht. Das finnische Organisationskomitee sah in dieser Grubenlampe die ideale Möglichkeit, die olympische Flamme sicher im Flugzeug von Athen nach Aalborg/Dänemark transportieren zu können. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, wurde das OKS etwas später um Überlassung einer zweiten Grubenlampe gebeten.

 

 

 

 

 

 

Da sich die saarländische Grubenlampe in diesem Einsatz bewährte, wurde das Olympische Komitee des Saarlandes zwei Jahre nach Helsinki in Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele in Melbourne (22. November bis 8. Dezember 1956) vom australischen Organisationskomitee ersucht, erneut zwei Grubenlampen für den Transport des olympischen Feuers zur Verfügung zu stellen. Folglich geleitete eine saarländische Grubenlampe die olympische Flamme bei der zweiten Sommerolympiade in Folge auf ihrem Weg von Griechenland Richtung Austragungsort, diesmal von Athen nach Cairns/Australien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zeitungsartikel der Saarländischen Volkszeitung vom 21. Juli 1956 mit einer Redaktionsmeinung zur ungeklärten Frage der saarländischen Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Melbourne. SaarLA_AA 741
Zeitungsartikel der Saarländischen Volkszeitung vom 21. Juli 1956 mit einer Redaktionsmeinung zur ungeklärten Frage der saarländischen Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Melbourne. Foto: SaarLA_AA 741

Aufgrund der sich infolge des Saarabstimmungsergebnisses anbahnenden Rückgliederung mussten die Modalitäten für die saarländische Teilnahme an den Olympischen Spielen 1956 geklärt werden. Das OKS stellte nach vorheriger Abstimmung mit dem Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland und unter Zustimmung der saarländischen Fachverbände bereits am 23. Dezember 1955 beim IOC den Antrag, die infrage kommenden Saar-Olympioniken im Interesse der Sportler im Rahmen der deutschen Mannschaft starten zu lassen. Das IOC lehnte ab und beharrte vor Wirksamwerden der staatsrechtlichen Rückgliederung in die Bundesrepublik auf einer eigenständigen Teilnahme des Saarlandes. Hierauf verwies das internationale Gremium selbst in Kenntnis der am 20. September 1956 erfolgten Selbstauflösung des Olympischen Komitees des Saarlandes noch in einer Sitzung des IOC-Exekutivkomitees am 3./4. Oktober 1956. Wenige Tage danach einigte man sich dann doch kurzfristig auf eine Sonderregelung für die saarländische Partizipation in der gesamtdeutschen Olympiamannschaft, welche nun aus Sportlern der Bundesrepublik, der DDR und des Saarlandes bestand. Zwei Saarländerinnen konnten sich für die deutsche Mannschaft qualifizieren – die Leichtathletin Helga Hoffmann und die Kanutin Therese Zenz. Noch als saarländische Staatsangehörige errang Letztere eine Silbermedaille für Deutschland.

 

 

 

 

 

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