Von Zwickel und Nylon - Bademode von 1920 bis 1940
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Ganzkörperbedeckung für Frauen und Mädchen im öffentlichen Badebetrieb üblich. Selbst bei Schwimmwettkämpfen mussten Sportlerinnen lange Röcke oder Kleider tragen, die nicht nur die Bewegungsfreiheit einschränkten, sondern auch aufgrund der vollgesogenen schweren Stoffmassen eine nicht unerhebliche Gefahr darstellten. Etliche Frauen waren wegen solcher Kleidervorschriften beim Baden ertrunken. Männer trugen einteilige Badeanzüge im Matrosenlook.
Als der Schwimmsport immer mehr Anhänger in der Bevölkerung gewann, lockerten sich die Vorschriften und die Bekleidungsindustrie reagierte auf die Entwicklung: Nach und nach kamen neue Materialien auf den Markt und die Schnitte der Badekleidung wurden zweckmäßiger. In den 1920er Jahren hatten sich einteilige Badeanzüge aus Woll- oder Baumwolltrikot etabliert, die den Blick auf Arme und Knie freigaben. Diese Mode findet sich auch in Dudweiler: Im dortigen Freibad tragen die Damen in dieser Zeit enganliegende Jerseyanzüge oder Schwimmkleider in gedeckten Farben, als modisches Detail finden sich weiße Paspeln am Ausschnitt. Bei der Badekleidung der Kinder fallen Anzüge der Marke „Eigenbau“ auf und den Badehosen vieler Schüler sieht man an, dass sie von älteren Geschwistern vererbt worden waren. Die Mitglieder des Schwimmvereins tragen jedoch bereits im Gründungsjahr 1924 funktionelle Sportkleidung: Die Mädchen Anzüge, die Jungen und Männer ebenfalls enge Badeanzüge oder sogenannte „Dreiecksbadehosen“, auf denen stolz das Vereinslogo prangt.
Die anfängliche Lockerung der Vorschriften hielt nicht lange an. Konservative Politiker sahen in der knappen und eng am Körper anliegenden Sportkleidung eine Gefahr für die öffentliche Ordnung. Das preußische Innenministerium erließ daher 1932 eine „Polizeiverordnung zur Ergänzung der Badepolizeiverordnung“, den sogenannten „Zwickelerlass“. Männerbadehosen hatten fortan mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen zu sein, die kurzen, knapp sitzenden "Dreiecksbadehosen" wurden verboten. Badekleidung für Frauen musste Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers bedecken, der Rückenausschnitt durfte nicht allzu tief sein, angeschnittene Beine waren verpflichtend. Dieser Erlass galt ein Jahrzehnt, erst 1942 wurde er von den Nationalsozialisten aufgehoben.
Spätestens Ende der 1930er Jahre finden sich an den Stränden und in den Badeanstalten bei den Damen vermehrt Zweiteiler. Die Hose reichte bis zur Taille, das Oberteil ähnelte bereits dem eines heutigen Bikinis, doch ein entblößter Bauchnabel war weiterhin ein absolutes Tabu. Fasern wie Elastex, ein mit Textilfasern ummantelter Kautschukfaden und später Nylon revolutionierten die Bademode. Diese Kunstfasern umschlossen den Körper wie eine zweite Haut, waren feuchtigkeitsabweisend und konnten eingefärbt und sogar bedruckt werden. In dieser Zeit stand nicht länger nur die Zweckmäßigkeit im Vordergrund, Badekleidung war zum Modeartikel und Statussymbol geworden und erhielt zudem eine erotische Komponente. Die Filmindustrie lockte mit Filmen, in denen viel verführerische Haut gezeigt wurde, zahllose Besucher in die Kinos. Werbefotos, auf denen kurvenreiche US-Filmstars wie Lana Turner oder Rita Hayworth in figurnahen, bunten Zweiteilern posierten, wirkten als Multiplikatoren. Namhafte Modehäuser produzierten Schwimmkollektionen und eine ganze Bademodenindustrie entstand.
Diese Entwicklung hielt mitten im Zweiten Weltkrieg auch in Dudweiler Einzug. Vier Jahre vor der offiziellen Erfindung des Bikinis (nabelfrei und mit hohem Beinausschnitt) wehte ein Hauch von Hollywood durchs dortige Freibad. Die Damen trugen Zweiteiler in allen Variationen: teils elegante Modelle mit Neckholder, teils quietschbunte mit Spaghettiträgern, oder kombinierten das Oberteil lässig mit einer weiten Hose im Marlene-Stil.
Zurück zu: Schwimmen wird zum Volkssport
Weiter zu: Licht, Luft und Sonnenbad