Schwimmen wird zum Volkssport
In den Goldenen Zwanzigerjahren gewann die Wirtschaft wieder an Schwung und die Arbeiter genossen seit der Einführung des 8-Stunden-Tags im Jahr 1918 mehr Freizeit, die es auszufüllen galt. Sport wurde mehr und mehr zu einem Massenphänomen und in zahlreichen Vereinen ausgeübt. Der Badeurlaub am Meer, der bisher dem Adel und reichen Bürgertum vorbehalten gewesen war, kam in Gestalt des städtischen Freibads zu den unteren Bevölkerungsschichten, die „Sommerfrische“ war für jedermann fußläufig oder mit dem Rad erreichbar.
Hinter dem Baden an der freien Luft verbarg sich jedoch mehr als der bloße Sportgedanke. Man betrachtete das Schwimmen in der Natur zu dieser Zeit als Heilmittel gegen Krankheiten, die die Industrialisierung mit sich gebracht hatte. Durch Bewegung, frische Luft und Sonne sollte die Gesundheit der Arbeiter, die bei ihren schweren Tätigkeiten gelitten hatte, verbessert werden. In Dudweiler wurde diese Idee bei der Errichtung des Freibades aufgegriffen: Das „Schwimm-, Licht-, Luft- und Sonnenbad“ genannte Freibad am Winterbach wurde von der Gemeinde als soziale und gesundheitsfördernde Einrichtung gesehen, insbesondere die Förderung des Schwimmsports bei der Jugend stand im Vordergrund.
Die Gemeindebewohner lebten überwiegend vom Bergbau, im Ort existierten mehrere Gruben, die größte davon, die Grube Hirschbach, gehörte bis zum Ersten Weltkrieg zu den leistungsfähigsten Anlagen des Saarreviers. Das Ortsbild prägten unzählige Fördertürme und Wetterschächte, teilweise lagen diese inmitten der Wohngebiete. Die Arbeiter litten häufig an Silikose, der „Staublunge“, einer bei Bergleuten typischen Berufskrankheit. Ebenso weit verbreitet war die Tuberkulose, die in den Sterbebüchern dieser Jahre unter der Bezeichnung „Schwindsucht“ als Todesursache eingetragen ist. Für betroffene Arbeiter errichtete die Gemeinde zwei sogenannte „Lungenhäuser“ direkt neben dem Schwimmbad. Schlecht war es auch um den gesundheitlichen Zustand der Kinder bestellt. Noch lange nach dem Ersten Weltkrieg machten sich die Folgen von Mangelversorgung und schlechter Ernährungslage bemerkbar, viele Kinder waren unterernährt und anfällig für Krankheiten und die Säuglings- und Kindersterblichkeit war hoch.
Zu den Initiatoren des Dudweiler Freibads gehörte der örtliche Verschönerungsverein, nach seiner Fertigstellung spielten aber auch die Lehrer der dortigen Schule eine nicht unwesentliche Rolle bei der Etablierung des Bades. Sie kannten die Lage der Schüler aus erster Hand, durch ihren Schwimmunterricht und die Verlegung des Sportunterrichts während der Sommermonate ins Schwimmbad trugen sie zur Popularität des Bades bei. Der Direktor der Schule, Ludwig Brückner, betätigte sich nebenberuflich als Heilpraktiker. Für die Lehrerschaft hatte der therapeutische und wohltuende Aspekt des Wassers einen hohen Stellenwert und die sportliche Ertüchtigung an frischer Luft sollte die ihr anvertrauten Kinder stärken und widerstandsfähiger machen.
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