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Medien- und sonstige Informationen

Medieninformation I/ 2024
28. März 2024

Keine Doppelbesteuerung von Renten; mittels mathematischer Formel auf der Grundlage von Renten-Entgeltpunkten (§ 63 Abs. 2 SGB VI) kann der Nachweis für eine doppelte Besteuerung nicht geführt werden

Mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2024 hat der 3. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes eine Klage, in der es im Rahmen einer Einkommensteuerfestsetzung um die Frage der doppelten Besteuerung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. einer Zusatzkasse gem. § 22 EStG ging, als unbegründet abgewiesen (Az: 3 K 1072/20).

Der Gesetzgeber hatte die Besteuerung von Renteneinkünften durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) neu ausgerichtet. Die Klägerseite argumentiert, dies führe bei ihr zu einer doppelten Besteuerung. Sie hatte dies u.a. mit einer mathematischen Formel dargelegt, die auf die sog. Renten-Entgeltpunkte abgestellt hatte. Die Klägerseite hatte u.a. vorgetragen, im Rahmen der Systemumstellung sei die Regelung in § 10 EStG zur Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen nicht auf den stetig ansteigenden Besteuerungsanteil nach § 22 EStG abgestimmt; denn bei mathematischer Einbindung des Arbeitgeberanteils sei sie so ausgestaltet, dass die Abzugsfähigkeit der eigenen Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (AN-Beiträge) bei nur 20% im Jahre 2005 (anstelle von 60%) beginne. Zudem müsse die zeitliche Komponente durch einen Zinsfaktor berücksichtigt werden. Da § 22 EStG offenbar von einem Zinssatz von 3% p.a. ausgehe und dies zu einer extremen Zinseszinswirkung führe, sei auch fraglich, ob hierdurch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit hinreichend beachtet seien. Der Ertragsanteil nach § 22 EStG sei faktisch negativ, daher sei auch die Einkunftserzielungsabsicht fraglich. Auch die Zuordnung der Rentenbeiträge zu den Sonderausgaben – anstelle von Werbungskosten – durch den Gesetzgeber sei rechtwidrig. Es liege auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. Zudem verstoße § 22 EStG gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, denn die Norm enthalte zum einen unbestimmte Rechtsbegriffe, zum anderen sei ihr der Kalkulationszinssatz nicht zu entnehmen.

Der 3. Senat sah zum einen eine doppelte Besteuerung der Renteneinkünfte der Klägerseite nicht als gegeben an und folgte dabei der höchstrichterlichen Rechtsprechung; denn danach liegt eine doppelte Besteuerung dann nicht vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen, wobei die erforderliche Vergleichs- und Prognoserechnung auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen ist (BFH vom 19. Mai 2021 X R 33/19, BFH/NV 2021, 992 und X R 20/19, BFH/NV 2021, 980 – die Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen). Der Vergleich des relativen Anteils von aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkten (§ 63 Abs. 2 SGB VI) mit dem gesetzlich angeordneten Steuerfreistellungsanteil der Rente stellt keine geeignete Methode zur Berechnung einer eventuellen doppelten Besteuerung dar (BFH vom 24. August 2021 X B 53/21 (AdV), BFH/NV 2021, 1571, und vom 22. September 2021 X S 15/21, BFH/NV 2022, 125).

Im Streitfall führte die vom Gericht auf der Grundlage des Prozessstoffs vorgenommene Berechnung dazu, dass die voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse höher waren als die aus versteuertem Einkommen geleisteten Vorsorgeaufwendungen. Das Gericht teilte auch die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerseite nicht; mit diesen hatte sich größtenteils bereits der BFH bzw. das BVerfG in früheren Entscheidungen befasst und ebenfalls einen Verfassungsverstoß verneint. Das Gericht sah in § 22 EStG insbesondere auch keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot bzw. das Gebot der Normenklarheit.

Das Gericht hat durch Gerichtsbescheid (vgl. § 90a FGO) entschieden und dort die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Frage der Normenklarheit des § 22 EStG zugelassen.

Bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung und allein durch die Berufsrichter. Gegen einen Gerichtsbescheid kann der unterliegende Beteiligte den Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung stellen. In diesem Fall wird eine mündliche Verhandlung anberaumt und schließlich durch Urteil, an dem auch die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter mitwirken, entschieden; der Gerichtsbescheid entfaltet in einem solchen Fall keine Wirkung mehr. Wird - wie vorliegend – im Gerichtsbescheid die Revision zugelassen, kann der unterliegende Beteiligte unmittelbar die Revision beim BFH einlegen; in diesem Fall wirkt der Gerichtsbescheid als Urteil.

Die Entscheidung wird veröffentlicht werden, wenn der Gerichtsbescheid als Urteil wirkt.


Andre Hardenbicker
- Pressedezernent des Finanzgerichts -


Im Nachfolgenden finden Sie aktuelle Informationen über Verfahren mit besonderer Bedeutung oder sonstige aktuelle Meldungen.

A) Anhängige Verfahren mit besonderer Bedeutung:

Az: 2 K 1012/20

Hier geht es um die Frage, ob und inwieweit Schadensersatzzahlungen aus Urheberrechtsverletzungen Betriebseinnahmen darstellen.

Az: 3 K 1051/21

Steuerentlastung nach § 56 EnergieStG – Ermittlung der entlastungsfähigen Dieselkraftstoffmenge nach tatsächlichem Verbrauch (§ 102b Abs. 4 Satz 1 EnergieStV) oder nach den Angaben des Herstellers zzgl. eines pauschalen Zuschlags von 20 % (§ 102 Abs. 4 Satz 2 EnergieStV). Inwieweit sind sog. SORT-Protokolle (SORT= standardised on-road test), die die Hersteller auf Bedarf an die Käufer aushändigen, verlässliche Verbrauchswerte.

Az: 2 K 1415/21

Rückwirkende Aufhebung der Freistellung des Arbeitslohns nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Frankreich für einen Berufs-Fußballspieler mit Wohnsitz in Frankreich.

Az: 1 K 1177/22

Zur steuerlichen Anerkennung von Verlusten aus der Veräußerung von im Wert gesunkenen Zertifikaten, die zuvor im Wege des Anteilserwerbs und rückwirkender Verschmelzung der erworbenen Gesellschaft auf die Klägerin übergegangen waren.

Az: 3 K 1280/22

Zur Tabaksteuerpflicht bei Substituten i.S.v. § 1b i.V.m. § 1 Abs. 2c Tabaksteuergesetz n.F; das Verfahren betrifft die Frage, ob Mischkomponenten in Form von Glyzerin, Propylenglykol (auch Mischungen hieraus; sog. Basen) und Aromen für E-Zigaretten, die grundsätzlich allgemein erhältlich sind, der Steuerpflicht zu unterwerfen sind und falls ja, ab wann (schon ab Entschluss für eine solche Verarbeitung oder erst sobald sie Teil eines Fertigliquids sind).

Az: 1 K 1046/23

Zum Ort der Leistung bei langfristiger Überlassung eines Firmenfahrzeugs eines in Luxemburg ansässigen Unternehmers an in Deutschland wohnendes Personal (ähnlich wie FG Saarland vom 29. Juli 2021, 1 K 1034/21, EFG 2021, 2099 nach EuGH-Vorlage vom 18. März 2019, 1 K 1208/16, EFG 2019, 986 - EuGH vom 20. Januar 2021, C-288/19; siehe auch BFH vom 30. Juni 2022, V R 25/21)


B) Kürzlich entschiedene Verfahren mit besonderer Bedeutung:

Az: 2 K 1044/20

Das Verfahren wurde durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet (Beschluss nach § 138 FGO), nachdem dem Klagebegehren abgeholfen worden war. Gegenstand des Rechtsstreits war die Frage der Haftung nach § 191 AO i.V.m. § 25 HGB des Erwerbers eines Handelsgeschäfts, hier insbesondere die Frage der Fortführung der bisherigen Firma.

Az.: 3 K 1072/20 

Zur Frage der Besteuerung von Renten gem. § 22 EStG durch das Alterseinkünftegesetz ab 1. Januar 2005 – Frage der Doppelbesteuerung unter Berücksichtigung der Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen einerseits und der Besteuerung der Erträge andererseits. Vgl. hierzu oben stehende Medieninformation I/2024.

Az: 1 K 1313/21 Gerichtsbescheid vom 23. November 2023

Das Finanzgericht des Saarlandes hatte über die Frage zu entscheiden, ob Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO auf USt mit dem Unionsrecht vereinbar sind, insbesondere ob das Neutralitätsprinzip anwendbar und verletzt ist bzw. ob die Regelungen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Hierzu hatte Mitte 2023 auch das FG Düsseldorf zu entscheiden (Beschluss vom 12. 5. 2023 1 V 115/23 A (U), EFG 2023, 1358 und Urteil vom 23. 6. 2023 1 K 1869/22 U, EFG 2023, 1509). Insoweit sind aktuell beim 5. Senat des BFH sowohl ein Beschwerdeverfahren (V B 34/23 (AdV)) als auch ein Revisionsverfahren (V R 14/23) anhängig. Das Finanzgericht des Saarlandes verneint zwar ebenfalls einen Verstoß gegen europarechtliche Grundsätze und Prinzipien, weicht dabei aber von wesentlichen Aussagen des BFH und des FG Düsseldorf ab. Die Revision wurde zugelassen, aber offenbar nicht eingelegt. Die Entscheidung wird veröffentlicht.

Az: 2 K 1029/23 Gerichtsbescheid vom 29. August 2023

Hier ging es um die Frage, ob eine im Februar 2023 per Telefax durch einen Steuerberater erhobene Klage im Hinblick auf die Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) ab dem 1. Januar 2023 zulässig war. Der Senat sah die Klage als unzulässig an. Denn von einer vorübergehenden Verhinderung i.S.v. § 52d Satz 3 FGO konnte im Streitfall nicht ausgegangen werden; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 FGO scheiterte neben der nicht nachgeholten formwirksamen Klageerhebung am Verschulden des Steuerberaters, der sich nach Auffassung des Gerichts trotz bestehender Möglichkeit nicht rechtzeitig um die Freischaltung der Online-Ausweisfunktion bemüht habe.

Az: 1 K 1311/22 (Rücknahme)

Finale Verluste einer ausl. Betriebsstätte (Ruhen des Verfahrens wg. BFH-Verfahren I R 35/22). Das Verfahren wurde im Hinblick auf die Entscheidungen des EuGH vom 22. September 2022 C-538/20 sowie des BFH im Urteil vom 22. Februar 2023 I R 35/22 zurückgenommen.

Az: 1 K 1270/21 Gerichtsbescheid vom 22. August 2023

Zu entscheiden war die Frage, ob  die von einem Zeitungsverlag den Abonnenten der Papierversion einer Zeitung eingeräumte Möglichkeit des zusätzlichen Zugangs zur elektronischen Version der Zeitung (E-Paper) ohne Berechnung eines zusätzlichen Entgelts in Streitjahren vor 2014 eine gesonderte Leistung (oder aber eine unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung der Lieferung der Papier-Zeitung) darstellt und – bejahendenfalls - ob diese auf der Grundlage des Unionsrechts mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern war.

Der 1. Senat des Finanzgerichts hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22. August 2023 abgewiesen und die Revision zugelassen (Az. beim BFH XI R 29/23). Der Senat sah die Zurverfügungstellung eines Zugangs zum E-Paper für den hier maßgeblichen Streitzeitraum als eigenständige Leistung an, die nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Die Entscheidung wird veröffentlicht werden.

Az. 1 K 1232/21 Gerichtsbescheid vom 30. Juni 2023

Mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid hat das Gericht entschieden, dass ein Verein, dessen Satzungszweck die Förderung der Altenhilfe und Pflege ist, durch die Beleihung mit der Tätigkeit der Durchführung des Kostenausgleichs der Umlage zur Finanzierung der Altenpfelegeausbildung nicht körperschaftsteuerpflichtig wird; denn diese Tätigkeit stellt nach Auffassung des Gerichts einen allgemeinen Zweckbetrieb i.S.v. § 65 AO dar.

Az: 2 K 1209/19 Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2023

Es besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht in die Betriebsprüfungsakten nach dem Saarländischen Informationsfreiheitsgesetz und/oder der DSGVO. Bei dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO handelt es sich um ein Recht, das bezüglich einer juristischen Person nur von den aktuell vertretungsberechtigten Organen ausgeübt werden kann. Dies hat der 2.Senat des Finanzgerichts durch Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2023 entscheiden und die Klage abgewiesen (die Revision wurde zugelassen, aber nicht eingelegt). Die Entscheidung wird veröffentlicht werden.

Az: 1 K 1381/19 Urteil vom 20. April 2023

Es liegt keine offenbare Unrichtigkeit gem. § 129 AO bei einem auf 0 € erklärten und so auch festgestellten steuerlichen Einlagekonto gem. § 27 KStG vor, wenn aus dem Akteninhalt kein tatsächlicher Zugang der zu zahlenden Einlage erkennbar ist. Allein aus dem Umstand, dass die Bilanzen jeweils einen Zugang zur Kapitalrücklage aufweisen, kann nicht geschlossen werden, dass auch das steuerliche Einlagekonto um die Zugänge zur Kapitalrücklage zu erhöhen war. Denn ein handelsbilanziell dargestellter Zufluss zur Kapitalrücklage geht nicht automatisch mit einem Zufluss zu dem für steuerliche Zwecke maßgeblichen Einlagekonto einher. Die Offenbarkeit eines solchen Fehlers erfordert, dass sich aus dem Akteninhalt sowohl die Erhöhung der Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 HGB als auch der tatsächliche Mittelzufluss bei der Gesellschaft ergibt. Das war hier nicht der Fall.

Az: 1 K 1264/19 Urteil vom 14. Juni 2023

Mit Urteil vom 14. Juni 2023 hat der 1. Senat entschieden, dass die Zahlung eines nicht zweckgebundenen Investitionskostenschusses von einem Vermieter an seine Mieterin kein Entgelt im Rahmen eines gesonderten Leistungsaustausches darstellt, wenn nicht ersichtlich ist, dass sich die Mieterin ihrerseits zu einer konkreten Gegenleistung verpflichtet, die bei der Vermieterin zu einem verbrauchbaren wirtschaftlichen Vorteil führen kann. Die Vermieterin als Klägerin hatte einen entsprechenden Vorsteuerabzug aus einer Rechnung der Mieterin über diesen Investitionskostenzuschuss begehrt. Dies hat das Gericht versagt. Das Gericht sah aber die Zahlung auch nicht als echten Zuschuss sondern als Entgeltminderung im Rahmen des Mietverhältnisses an. Das Urteil wird noch veröffentlicht werden.

Az: 1 V 1051/23 Beschluss vom 29. Juni 2023 (Beschwerde zugelassen)

Der 1. Senat hatte mit Beschluss vom 29. Juni 2023 in einem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Bescheides über ein Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2c AO zunächst über die Zugangsvoraussetzungen für einen gerichtlichen Antrag auf AdV nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO zu entscheiden. Die Besonderheit war, dass der Antragsteller zuvor einen Antrag auf AdV bei der sachlich zuständigen Finanzbehörde gestellt hatte, die den Antrag an eine sachlich unzuständige Behörde weiterleitete, welche darauf hin auch die AdV gewährt hatte. Nachdem diese beendet war, hat sich der Antragsteller direkt an das FG gewandt. Das Gericht sah die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO als erfüllt an, weil es die Bewilligung der AdV durch die sachlich unzuständige Behörde nicht als einen zureichenden Grund für die Nichtentscheidung der zuständigen Finanzbehörde ansah. Die Beschwerde wurde zulassen. Der Beschluss wird veröffentlicht werden.