Thema: 65-jahre-saarland
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Saarland als Bundesland

Das Saarland erlebte im Vorfeld der am 23. Oktober 1955 stattfindenden zweiten Volksabstimmung einen heftigen Wahlkampf. Anders als beim Referendum 1935 ging es 1955 aber eigentlich nicht um die Frage der Rückgliederung des teilautonomen Saarlandes nach Deutschland, sondern um die Entscheidung über ein Europäisches Saarstatut, das Frankreich und die Bundesrepublik im Oktober 1954 im Rahmen der Pariser Verträge ratifiziert hatten.

Im Abstimmungskampf, der das Land über alle Partei- und Weltanschauungsgrenzen hinweg in ein Ja- und ein Nein-Sager-Lager spaltete, wurde aus der eigentlich europäischen Frage dann doch wieder eine nationale Frage. So begriffen die Nein-Sager ihre Ablehnung des Europa-Statuts in erster Linie als zwangsläufige Vorbedingung für die Wiedererlangung der deutschen Einheit. Die Ja-Sager hingegen glaubten nach den Erfahrungen von 1935, dass nur eine Europäisierung der Saar ein Wiederaufleben des alten Nationalismus verhindern könnte. Das Saarreferendum am 23. Oktober 1955 wurde damit eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Landes.

Die saarländische Bevölkerung lehnte im Referendum das Europäische Statut mit 67,7 Prozent der Stimmen ab. Das Ergebnis lieferte den Beweis dafür, dass eine europäische Integration nur unter Beachtung nationaler Souveränität gelingen konnte.

Die Ablehnung des Statuts bedeutete zwar nicht notwendigerweise das Ende des teilautonomen Saarstaates. Doch markierte der 23. Oktober in der politischen Willensbildung eine so starke Zäsur, dass danach alles auf eine baldmöglichste Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik zulief. An der Saar trat die Regierung Hoffmann noch in der Wahlnacht zurück. Die Dezemberwahlen 1955 besiegelten die durch das Referendum eingeleitete innenpolitische Kräfteverschiebung.

Das Votum gegen das bereits ratifizierte Saar-Statut war nicht nur eine Absage an den Saarstaat, sondern vor allem ein Bekenntnis zu Deutschland. Anders als 1935 bedeutete dies allerdings nicht die Rückkehr zum kriegerischen Nationalismus und das Ende gutnachbarschaftlicher Beziehungen. Im Gegenteil: Frankreich und Deutschland vereinbarten auf dem Verhandlungsweg sehr schnell die Modalitäten der Eingliederung des Saarlands in die Bundesrepublik als deren zehntes Bundesland. Im Luxemburger Vertrag von 1956 zwischen Deutschland und Frankreich wurden die letzten außenpolitischen Hürden für die Wiedervereinigung aus dem Weg geräumt. Diese sogenannte kleine Wiedervereinigung wurde am 1. Januar 1957 eingeleitet.

Am Neujahrstag 1957 begrüßte Konrad Adenauer in Saarbrücken das jüngste deutsche Bundesland. Zweieinhalb Jahre später, am 6. Juli 1959, fielen auch die Zollgrenzen, die D-Mark löste den Franc als Zahlungsmittel ab, der Sonderweg der Saar ging zu Ende. Die einvernehmliche Lösung der Saarfrage bereitete den Boden für die deutsch-französische Freundschaft.

Erfolgreich in SaarLorLux

Die Visionen einer europäischen Region im deutsch-französischen Grenzraum erlebten

im teilautonomen Saarstaat eine erste Blütezeit. Die Gründung der Universität des Saarlandes oder der internationale Kulturaustausch, der im Umfeld der neuen Kunstschule stattfand, haben nachhaltige Spuren hinterlassen. Der europäische Geist blieb auch nach der Wiedervereinigung mit Deutschland lebendig.

 Über die Ländergrenzen hinweg konnte seit den 1950er Jahren nicht nur jene deutsch-französische Freundschaft heranwachsen, in der das Saarland eine hervorgehobene Rolle spielt. Gemeinsam mit den nationalen und internationalen Partnern entstand im Verlauf der Jahrzehnte eine grenzüberschreitende Großregion, die als ökonomisches Leitprojekt „SaarLorLux“ in den 1960ern startete und mittlerweile ein etablierter und erfolgreicher Wirtschafts- und Kulturraum ist.

 Dabei ist es die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, bei deren Vertiefung das Saarland eine führende Rolle übernimmt. So zum Beispiel in der Bildungspolitik: In Kitas und Schulen zieht zunehmend deutsch-französische Bilingualität ein und an zahlreichen Schulen werden AbiBac-Abschlüsse möglich. An den Hochschulen entstehen unter dem Dach der „Universität der Großregion“ mehr und mehr gemeinsame Studiengänge und -abschlüsse.

Bundesweite Akzente setzen saarländische Regierungschefs auch als Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit. So wird unter Peter Müller beispielsweise das erste deutsch-französische Geschichtsbuch verfasst. Annegret Kramp-Karrenbauer rückt vor allem die berufliche Bildung in den Fokus und initiiert die Frankreichstrategie des Saarlandes. Tobias Hans erweitert die Zusammenarbeit beider Regionen durch Kooperationen von Forschungseinrichtungen und (Start-up)Unternehmen im Bereich der Digitalisierung, wie beispielsweise Künstliche Intelligenz (KI) und Cyber-Sicherheit.

Vom Montanrevier zur modernen Industrieregion

Kohle und Stahl hatten über Generationen das Antlitz des Saarlandes und die Mentalität der Menschen geprägt. Bis in die sechziger Jahre hinein trugen sie maßgeblich zum bundesrepublikanischen Wirtschaftswunder bei. Die Kohlekrise während der sechziger und die Stahlkrise der siebziger und achtziger Jahre zwangen dem Land jedoch einen schmerzhaften Strukturwandel auf. Der Steinkohlebergbau wurde sukzessive zurückgefahren bis zu seinem Ende im Jahre 2012. Die Stahlindustrie wurde restrukturiert und liefert heute mit weit über 10.000 Beschäftigen Hightech-Produkte in die ganze Welt. 

Parallel zu diesem Prozess wandelte sich das Saarland seit den siebziger Jahren Stück für Stück zur modernen Industrieregion mit dem Schwerpunkt auf dem Automobilsektor. Namhafte Automobil- und Automobilzuliefererunternehmen siedelten sich im Saarland an. Maschinenbau, Gesundheitsbranche, Tourismus wuchsen zu zusätzlichen Standbeinen der Saarwirtschaft heran. Auch der Mittelstand löste sich nach und nach von der einstigen Bindung an die Montanindustrie und entwickelte neue Geschäftsmodelle. Manche dieser Unternehmen sind heute Weltmarktführer auf ihrem Gebiet. All das führte dazu, dass der Strukturwandel im Saarland weitaus besser gelang als in den allermeisten einstigen Montanregionen Europas.

Innovativ. Dynamisch. Global.

Unter dem Zeichen von Digitalisierung, Industrie 4.0 und moderner Mobilität befindet sich das Saarland nun erneut in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Die Landesregierungen setzten daher schon früh auf den sukzessiven Ausbau der Informationswissenschaften in unserer Forschungslandschaft.

An der und um die Universität verfügt das Saarland heute über hochexzellente Einrichtungen. Neben dem Hauptsitz des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz und dem CISPA – Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit sind sämtliche deutsche Forschungsgesellschaften wie beispielsweise mehrere Max-Planck- und Fraunhofer-Institute vertreten. Mit der beispiellosen räumlichen Dichte an Forschungsexzellenz spielt das Saarland bei den Zukunftsinnovationen ganz oben in der globalen Champions League.

 Diese Kompetenz ist die Ausgangsbasis einer breit angelegten Innovationsstrategie, mit der das Saarland die Verzahnung von Wissenschaft, innovativem Mittelstand und Industrieproduktion dynamisch vorantreibt. Schon heute zeigt sich: Mehr und mehr richtet sich der Blick großer Konzerne aus aller Welt auf den Saarbrücker Forschungscampus als vielversprechenden Investitions- und Niederlassungsstandort.

Das Ziel der Landesregierung unter Tobias Hans ist die Erschließung neuer Wertschöpfungsketten mit neuen Wachstumspotenzialen im eigenen Land. Diesem Ziel dient auch die Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet von KI und Gründungsförderung. Das Saarland sieht sich nicht zuletzt auch im Rahmen seiner Frankreichstrategie als Impulsgeber zum Aufbau einer europäischen KI-Kompetenz, die sich im globalen Wettbewerb mit den USA und China messen.

Zur virtuellen Ausstellung 65 Jahre Saarland bei Google Arts & Culture