Thema: 65 Jahre Saarland
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Die Geschichte des Saarlandes

Das Saarland ist ein modernes und weltoffenes Bundesland im Herzen Europas. In Nachbarschaft zu Frankreich und Luxemburg hat sich hier eine Region entwickelt, in der internationale Kooperationen in Politik und Wirtschaft ebenso selbstverständlich sind wie ein grenzüberschreitendes Kultur- und Alltagsleben. Der besondere Charakter des Saarlandes ist das Produkt einer langen, abwechslungsreichen, oft aber auch konfliktreichen Geschichte – die leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege und die Erlebnisse zweier Volksabstimmungen haben das Gedächtnis des Landes nachhaltig geprägt.

Das Saarland ist ein modernes und weltoffenes Bundesland im Herzen Europas. In Nachbarschaft zu Frankreich und Luxemburg hat sich hier eine Region entwickelt, in der internationale Kooperationen in Politik und Wirtschaft ebenso selbstverständlich sind wie ein grenzüberschreitendes Kultur- und Alltagsleben. Der besondere Charakter des Saarlandes ist das Produkt einer langen, abwechslungsreichen, oft aber auch konfliktreichen Geschichte – die leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege und die Erlebnisse zweier Volksabstimmungen haben das Gedächtnis des Landes nachhaltig geprägt. Als Folge kamen aber jene Entwicklungsprozesse in Gang, die den Geist der Freundschaft und der Versöhnung dauerhaft etablierten und aus dem Saarland das französischste und das europäischste der deutschen Bundesländer machen.
Das Saarland ist eine europäische Geschichte.

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Die Geschichte des Saarlandes

Die Saarregion im ausgehenden Mittelalter - Zersplitterung und höfisches Leben

Seit dem Mittelalter entwickelte sich in der Saarregion eine vielgestaltige politische Landschaft. Der Saarraum bildete keine politische Einheit, sondern war in zahlreiche mittlere und kleine Herrschaften aufgeteilt. Hier herrschten unter anderem die Grafen von Nassau-Saarbrücken, die Kurfürsten von Trier, die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken und der französische König.
Die Grunderfahrung in dieser Zeit war das Dasein an der Grenze zwischen deutschem und französischem Kulturraum. Im 15. Jahrhundert übersetzte Elisabeth von Lothringen französische Ritterromane ins Deutsche. Sie gilt als Wegbereiterin des deutschsprachigen Prosaromans und als diejenige, die Saarbrücken zur Residenz der Nassau-Saarbrücker Dynastie machte.
Im 16. Jahrhundert erlebte die Saarregion eine Blütezeit, in der keine Kriege das Land verwüsteten. Die Wirtschaft entwickelte sich, Handel und Wandel kennzeichnete das Leben in den Städten, und die Bevölkerung wuchs stetig an. Die Herrscher bauten sich Renaissanceschlösser, und die Höfe zogen Gelehrte an. Dennoch führte die breite Bevölkerung oft ein karges Leben und blieb in Zeiten schlechter Ernten von Existenzkrisen nicht verschont.

Hundert Jahre Krieg in der Saarregion - Gewalt und Elend

Auf die langjährige friedliche Phase folgten einhundert Jahre, die geprägt waren von Krieg, Verwüstung und Not. Der Dreißigjährige Krieg wütete an der Saar besonders stark: Zwar kam es hier nicht zu größeren Schlachten, aber andauernde Truppendurchzüge, Besatzungen, Plünderungen und sinnlose Gewalt entvölkerten das ganze Land. Franzosen, Kaiserliche, Spanier und Schweden sorgten für grausame Verheerungen.
Die Zeit der ruhenden Waffen nach dem Krieg währte nur kurz. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. verfolgte eine aggressive Expansionspolitik. Er dehnte im Zuge der Reunionskriege im Zeitraum von 1667 bis 1697 die Grenzen weit nach Osten aus. Viele Städte wie Ottweiler oder Merzig wurden von den durchziehenden Heeren verwüstet. Auch das heutige Alt-Saarbrücken wurde im Jahre 1677 völlig niedergebrannt. Das Gebiet an der Saar wurde schließlich als Teil der Province de la Sarre in den französischen Staat integriert. Zur Absicherung der Grenze errichtete Festungsbaumeister Vauban ab 1680 die Festungsstadt Saarlouis. Mit dem Frieden von Rijswijk 1697 fiel die Saarregion wieder an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zurück.

Barocke Pracht und wirtschaftlicher Aufschwung - Zeit des Friedens

Im 18. Jahrhundert setzte wieder eine längere Phase des Friedens ein, die von den Landesherrschaften wie zum Beispiel Fürst Wilhelm-Heinrich von Nassau-Saarbrücken oder Gräfin Marianne von der Leyen  zum Aufbau und zur Entwicklung des Landes genutzt wurde. Mit ambitionierten und teuren Bauprojekten gestalteten sie ihre Residenzen. Barocke Schlösser und Kirchen prägen bis heute das Gesicht vieler saarländischer Städte. Mit dem Saarbrücker Schloss, der Ludwigskirche oder auch der Residenzstadt Blieskastel finden sich herausragende Beispiele barocker Baukunst an Saar und Blies.

Gleichzeitig modernisierten aufgeklärte Herrscher Wirtschaft und Gesellschaft etwa durch die Verbesserung des Landbaus, die Einführung der Schulpflicht, die Reform von Justiz und Verwaltung und die Gewährung religiöser Toleranz. Eisen- und Glashütten wurden gefördert und der Steinkohlebergbau unter staatlicher Obhut systematisiert. Die Straßen und Verkehrswege wurden ausgebaut und Saarbrücken an das Postsystem der Thurn und Taxis angeschlossen. Die Bevölkerung wuchs nach den Verheerungen im 17. Jahrhundert aufgrund hoher Geburtenüberschüsse und vermehrter Zuzüge von außen rapide an.

Die französische Revolution und die Saarregion um 1800 - Plötzlich alles anders

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Karte des „Département de la Sarre“. Große Teile des heutigen Saarlands gehörten in dieser Verwaltungseinheit (Hauptstadt Trier) von 1798 bis 1814 zum napoleonischen Frankreich. Foto: Landesarchiv des Saarlandes

Die revolutionären Ereignisse in Frankreich, die mit dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 begannen, veränderten in der Folge die Verhältnisse an der Saar grundlegend. Zunächst wurde die Region von durchmarschierenden französischen und alliierten Truppen im Rahmen der Koalitionskriege heimgesucht. 1793 besiegten die Revolutionstruppen bei der Schlacht von Biesingen (Blieskastel) die verbündeten Preußen und Österreicher. Die Saarländer waren überdies in Aufruhr: Die Verheißungen der Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – elektrisierten viele Untertanen. Sie pflanzten Freiheitsbäume, prangerten bestehende Missstände an und richteten selbstbewusste Forderungen an ihre Fürsten.
Deren Zeit ging unterdessen zu Ende. Nach den militärischen Erfolgen besetzten die Franzosen die linksrheinischen Gebiete 1794 und gliederten sie formal 1801 mit dem Vertrag von Lunéville in den französischen Staat ein. Erstmals war die Region Teil eines zentralistischen Staates und nicht in mehr oder weniger unabhängige Territorien zersplittert. Der größte Teil des heutigen Saarlandes gehörte seit 1798 zum Saardepartement mit dem Hauptort Trier. Der Bereich links der Saar wurde Bestandteil des Mosel-, der östliche des Donnersbergdepartements. Für die Bevölkerung bedeutete die französische Herrschaft das Ende von Feudalrechten wie dem Zehnten und die Einführung einer modernen Rechtsprechung.

Preußen und Bayern an der Saar - Das Erbe Napoleons

Napoleon trat das Erbe der Französischen Revolution an. Er setzte die rechtlichen Reformen weiter fort, die auch an der Saar Geltung erlangten. Fünf große Gesetzeswerke, darunter das neue Zivil- und Strafrecht, verliehen Freizügigkeit, Gewerbefreiheit und die Garantie des Eigentums. Die Einführung des französischen Rechts bedeutete eine gewaltige Modernisierung gegenüber dem Ancien Régime. Bemerkenswert ist der Umstand, dass das französische Recht an der Saar und im Linksrheinischen bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches 1900 weiter bestand. Diese Rechte wurden von der Bevölkerung geschätzt und gegen Eingriffe verteidigt.
Nach vielen erfolgreichen Kriegszügen, in denen er halb Europa eroberte (und dabei immerhin sieben Mal die Saarregion passierte), verlor Napoleon bei Waterloo Amt und Macht. Die neue europäische Ordnung wurde auf dem Wiener Kongress 1815 ausgehandelt und in diesem Rahmen auch das Land an der Saar völlig neu gestaltet. Der größte Teil gehörte zur preußischen Rheinprovinz, Regierungsbezirk Trier (die heutigen Kreise Saarlouis, Merzig-Wadern und Neunkirchen sowie der Regionalverband Saarbrücken). Der heutige Saarpfalz-Kreis war Bestandteil des bayerischen Rheinkreises mit Verwaltungssitz in Speyer. Ein kleiner Teil im Nordosten wurde bis zu seinem Verkauf an Preußen im Jahre 1834 vom Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha regiert.

Die Saarregion während der Frühindustrialisierung 1815 - 1850 - Ein neues Zeitalter beginnt

Die ersten Fabriken, die im 18. Jahrhundert im Saarland entstanden, blieben lediglich eine Episode. Ab 1830 begann sich die industrielle Basis zu verdichten: Zunächst ermöglichte die Dampfmaschine den Betrieb von Gruben im Schachtbau und von Eisenhütten unabhängig von der Wasserkraft. Ein weiterer wichtiger Faktor war die Gründung des Zollvereins 1834. Mit ihm fielen die noch zahlreich existierenden Binnenzollgrenzen weg und schufen einen einheitlichen Wirtschaftsraum.
Den Durchbruch der Industrialisierung brachte allerdings die Eisenbahn. Als Führungssektor beeinflusste sie alle Wirtschaftsbereiche. Die erste Strecke bildete 1849 die „Ludwigsbahn“ vom Rhein bis nach Bexbach. Sie erschloss das Saarrevier mit seiner expandierenden Schwerindustrie und wurde schnell weiter ausgebaut. Es folgten recht bald die Anschlüsse über Metz nach Frankreich (1851) und entlang der Saar nach Trier (1858/60). Die Kanalisierung der Saar ergänzte den verkehrstechnischen Anschluss des Landes an der Saar.
Mit der Eisenbahn entstand auf der einen Seite eine große Nachfrage nach Kohle und Stahl, auf der anderen Seite konnten die saarländischen Industriebetriebe ihre Produkte auf überregionalen Märkten absetzen. Somit wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die zahlreichen Kohlegruben und Hüttenwerke ihre Produkte weltweit vertreiben konnten.

Der Durchbruch der Industrialisierung um 1850/60 - Die industrielle Geburt des Saarlandes

Bevor das Saarland als politische Einheit entstand, kann man von einer wirtschaftlichen Vorprägung sprechen. Um den industriellen Kern, der von Saarbrücken entlang der Saar bis nach Dillingen und Merzig sowie über St. Ingbert bis Neunkirchen reichte, bildete sich eine eng miteinander verflochtene Region. Im Gegensatz zu anderen Industrierevieren wie dem Ruhrgebiet deckte die Saarregion ihren Arbeitskräftebedarf nicht durch Fernzuwanderung, sondern durch den Zuzug besonders der ländlichen Bevölkerung aus den umliegenden Landschaften wie dem Hunsrück.
Die stark expandierende Industrie hat ab den 1860er Jahren eine Dimension angenommen, die das Gesicht des Saarraumes völlig veränderte. Aus dem ursprünglich landwirtschaftlich geprägten Land  war mittlerweile eine Industrieregion entstanden. Rauchende Schlote und Fördertürme, eine neue reiche Wirtschaftsbürgerschicht und eine breite Masse an Arbeitern sollten für mehr als 100 Jahre die wirtschaftliche Basis und Identität der Menschen an der Saar bestimmen.
Die Geschichte der saarländischen Industrialisierung darf jedoch nicht nur auf Kohlegruben und Eisenhütten beschränkt bleiben. Auch Unternehmen aus den Bereichen Maschinenbau, Glas und Keramik waren von überregionaler Bedeutung.
Parallel zum wirtschaftlichen Boom wuchs die Bevölkerung stark an. Lebten 1820 in der Wirtschaftsregion erst 140.000 Menschen, waren es 30 Jahre später schon über 200.000 und um 1900 bereits über 600.000. Aus kleinen Dörfern wie Neunkirchen wurden innerhalb weniger Jahre bedeutende Industriestädte.

Arbeiter prägen das Saarland - Eine neue Gesellschaft entsteht

Mit der industriellen Expansion erfuhr auch die Gesellschaft einen grundlegenden Wandel. Die ehemals von Bauern und Handwerkern dominierte Region wurde zunehmend von Fabrikarbeitern und Bergleuten geprägt. Sie waren für das starke Wachstum der Städte verantwortlich. Um 1910 arbeiteten über 70.000 Menschen in den Gruben und um die 30.000 in den Eisenhütten.
Der staatliche Bergfiskus ließ zahlreiche Bergmannskolonien wie in Altenkessel, Bildstock, Göttelborn oder auch Herrensohr errichten. Zum Teil wurden durch Zuschüsse der Grubenverwaltung Prämienhäuser für viele Bergleute und ihre Familien gebaut.
Gleichzeitig veränderten die Arbeiter aber auch den ländlichen Raum. Viele siedelten in den umliegenden Dörfern der Westpfalz oder des Hunsrücks. Sie zogen zu Wochenbeginn oft zu Fuß als so genannte „Hartfüßler“ über lange Strecken zu ihrem Arbeitsplatz. Während der Woche übernachteten sie in Schlafhäusern und kehrten den beschwerlichen Weg nach in der Regel sechs Arbeitstagen zurück.
Um den bescheidenen Lohn aufzubessern, betrieben viele Arbeiterfamilien nebenher noch eine Landwirtschaft. Sie bauten Gemüse und Obst an, hielten oft auch kleine Nutztiere wie die „Bergmannskuh“ genannte Ziege.

Stahlbarone und Staatsbergbau - Patriarchen zwischen Bevormundung und sozialer Verantwortung

 Den Arbeitern als neue soziale Massenformation standen die Unternehmer gegenüber – zum einen die sogenannten Stahlbarone wie Carl Ferdinand von Stumm-Halberg oder Carl Röchling, zum anderen die Beamten des preußischen Bergfiskus, zu einem geringen Teil auch des bayrischen Staates, der ebenso wie Preußen den Steinkohlebergbau in Regie hatte.
Diese Arbeitgeber waren die maßgeblichen Motoren der ökonomischen Entwicklung und der industriellen Modernisierung mit all ihren technischen und infrastrukturellen Innovationen. Gegenüber der Arbeiterschaft pflegten sie ein ausgeprägtes paternalistisches Herrschaftsverhältnis. Dieses betonte  zum einen zwar die soziale Fürsorgepflicht der Arbeitgeber, der man auch mit sozialen Maßnahmen wie Krankenversicherung, betrieblichem Wohnungsbau, Alters- und Familienfürsorge und betrieblichem Schulwesen nachkam. Dadurch sollten soziale Verwerfungen verhindert und die Verwurzelung der Arbeitnehmer in Familie und Betrieb gefördert werden. Zum anderen – und das war die Kehrseite der Medaille – übten die Arbeitgeber einen Disziplinierungsdruck aus, der weit bis hinein ins private Leben reichte. So mussten beispielsweise die Neunkircher Hüttenarbeiter bei Carl Ferdinand Stumm persönlich die Erlaubnis zur Eheschließung einholen. Zudem war es den Arbeitnehmern strengstens verboten, sich politisch oder betrieblich gegen die herrschenden Zustände zu engagieren. Gegen diese strukturelle Repression emanzipierte sich Arbeiterschaft zunehmend durch Streiks und durch die Bildung von Gewerkschaften, wobei im Saarland das christliche Element eine größere Rolle spielte als andernorts. Denn die Arbeitnehmer waren in ihrer großen Mehrheit Katholiken, während die Arbeitgeber fast ausnahmslos dem Protestantismus entstammten. Der soziale Konflikt war von daher in der Saarregion gleichzeitig ein konfessioneller, der vom Bismarck‘schen Kulturkampf zusätzlich angeheizt wurde. Exponiertester Vertreter dieser paternalistischen Arbeitgeber war Carl Ferdinand von Stumm-Halberg, Eigentümer des Neunkircher Eisenwerks und überdies auch  Reichstagsabgeordneter, der unter dem Beinamen „König von Saarabien“ überregionale Bekanntheit erwarb. 

Erster Weltkrieg und Völkerbundszeit - Die Geburt des Saarlandes

Infolge des verlorenen Ersten Weltkrieges und gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages wurde die Saarregion aus dem Deutschen Reich herausgetrennt – dies maßgeblich auf Betreiben Frankreichs, das die industrielle Basis Deutschlands schwächen und sich gleichzeitig den Zugriff auf die Saarkohle als Reparationsleistung für die erlittenen Kriegsschäden sichern wollte. Dabei wurden die Industriestädte des Saarbeckengebietes, wie es offiziell hieß, um das Einzugsgebiet der Arbeiter zwischen Saar und Blies ergänzt. Dieses Saarbeckengebiet war um etwa ein Fünftel kleiner als das heutige Bundesland.

Karte des Saargebietes von 1920 Karte des Saargebietes von 1920
Die Grenzen des Saargebietes nach dem Wortlaut des Friedensvertrages vom 25.06.1919 Foto: Saarland|Landesarchiv

Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 20.1.1920 wurde so das „Saargebiet“ als erstes politisches Gebilde geboren, das den Namen „Saar“ in seinem Namen trug. Das Saargebiet stand unter dem Mandat des neu gegründeten Völkerbunds und wurde von einer internationalen Regierungskommission verwaltet. Ihr gehörte zwingend stets ein Franzose und ein Saarländer an. Als von der Bevölkerung gewähltes Repräsentationsorgan fungierte der „Landesrat“, allerdings nur in beratender Form. Klassische parlamentarische Rechte wie etwa die Legislativgewalt, Exekutivkontrolle oder  gar Mitwirkung an der Regierungsbildung hatte er nicht. Das Sagen im Saargebiet hatten im Wesentlichen die Franzosen, die mit Militär und zahlreichen leitenden Beamten im Land präsent waren. Das führte zu permanenten Spannungen, nicht zuletzt durch die Tatsache, dass Frankreich als Eigentümerin der Gruben auch größter Arbeitgeber war. Als Reaktion auf den als Besatzung und Fremdherrschaft empfundenen französischen Einfluss kam es immer wieder zu Kundgebungen, Streiks und Feiern, die die nationale Zugehörigkeit zu Deutschland betonten. Besonders der Hundert-Tage-Streik von 1923 und die Rheinische Jahrtausendfeier von 1925 wurden zu machtvollen Demonstrationen.

Der Abstimmungskampf 1934/35 - Heim ins Reich

Wie im Versailler Vertrag vorgesehen, wurde 1935 den Saarländern die Entscheidung über die Zukunft des Saarlandes zur Abstimmung gestellt. Im Grunde waren sich die Saarländer in dieser Frage auch einig: Die Rückkehr nach Deutschland wurde lange Zeit von allen politischen Kräften befürwortet. Mit der Machtübernahme Hitlers veränderte sich jedoch diese Situation. Berichte von Emigranten, die im Saarland vor den Nationalsozialisten Zuflucht suchten, und die aufmerksame Beobachtung der zunehmenden Aushöhlung der Demokratie in Deutschland ließen eine Anti-Hitler-Opposition entstehen, die unter den gegebenen Umständen für die Beibehaltung des Status quo kämpfte. Diese sogenannte Einheitsfront setzte sich im Wesentlichen aus Sozialdemokraten und Kommunisten, aber auch aus engagierten Katholiken zusammen. Intellektuelle wie Bertolt Brecht oder Thomas Mann ergriffen für sie publizistisch Partei.
Gleichwohl waren die Waffen in der Propagandaschlacht vor der Wahl sehr ungleich verteilt. Die Deutsche Front aus Nationalsozialisten sowie aus Teilen der Konservativen und Kirchen konnte massiv auf die Meinungsbildung im Saarland einwirken. In einem leidenschaftlichen Kampf wurden Rückgliederungsgegner eingeschüchtert und diffamiert. Kundgebungen wie am Niederwalddenkmal mit 100.000 Teilnehmern demonstrierten die Politisierung und nationalistische Instrumentalisierung der Saarfrage.
Die Abstimmung selbst am 13.1.1935 brachte ein eindeutiges Ergebnis: 90,7 Prozent votierten für die Rückgliederung, 8,7 Prozent für den Status quo. Hitler erzielte an der Saar seinen ersten großen außenpolitischen Erfolg. Die vielen Emigranten im Saarland mussten unmittelbar nach der Wahl ihre Flucht zumeist über Frankreich fortsetzen.

Die Saar im Dritten Reich - Diktatur und Krieg

Mit der Rückgliederung ins Deutsche Reich am 1.3.1935 wurde auch das Saarland gleichgeschaltet. Es blieb überdies als politische Einheit bestehen und wurde durch den Reichskommissar für das Saarland Josef Bürckel verwaltet. Noch einige Zeit versuchten Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter und Katholiken von der nahen Grenze aus Widerstand zu leisten. Die Errichtung des Terrorregimes konnten jedoch auch sie nicht aufhalten.
Oppositionelle, Juden, Sinti und Roma sowie „Erbkranke“ waren zunehmend der Verfolgung durch die Gestapo ausgesetzt. Wie überall in Deutschland fielen am 9.11.1938 auch die saarländischen Synagogen der „Reichskristallnacht“ zum Opfer.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 wurde die Zivilbevölkerung der so genannten „Roten Zone“ im Grenzgebiet nach Mitteldeutschland zwangsevakuiert. Nach dem Frankreichfeldzug konnte die Bevölkerung zurückkehren. Währenddessen wurden in der Wagner-Bürckel-Aktion im Oktober 1940 die Juden wie auch Sinti und Roma aus Südwest-Deutschland nach Frankreich in das Lager Gurs (Pyrenäen) verschleppt. Viele wurden später nach Auschwitz deportiert und wurden ermordet. Manche konnten allerdings auch von der französischen Résistance befreit werden. Ebenfalls im Jahr 1940 wurde in Saarbrücken an der „Goldenen Bremm“ das Gestapo-Lager „Neue Bremm“ errichtet, das zunächst als Arbeits-, später als Durchgangslager zu den weiter entfernten Vernichtungslagern fungierte. Das Terrorregime setzte in der kriegswichtigen Montanindustrie auch zahlreiche Zwangsarbeiter ein. Diese Industrie war ebenso wie wichtige Bahnanlagen und die Städte ab 1942 immer wieder Ziel von alliierten Bombenangriffen, deren stärkster am 5. Oktober 1944 fast das gesamte Alt-Saarbrücken in Trümmer legte. Am 21.3.1945 war nach der Besetzung durch die Amerikaner der Krieg für die Saarländer vorüber.

Der Saarstaat 1945 - 1955 - Wiederaufbau und Autonomie

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Saarland im Januar 1946 aus dem Rest der französischen Besatzungszone ausgegliedert und erhielt im Juni 1947 eine eigene Verfassung ebenso wie eine eigene Staatsbürgerschaft. Wirtschaftlich wurde das Saarland an Frankreich angeschlossenen und auch in den französischen Währungsraum einbezogen. Der Saarbergbau kam in die Hand der „Régie des Mines de la Sarre“. Das Saarland hatte einen von der Bevölkerung gewählten Landtag, eine vom Landtag ins Amt berufene Landesregierung und auch sonst alle Merkmale eines eigenständigen Staatsgebildes. Allerdings standen die politischen Entscheidungen unter Vorbehalt des von Frankreich entsandten Hohen Kommissars Gilbert Grandval, so dass man nur von einem teilautonomen Staat sprechen kann. An der Spitze der Saarregierung stand bis 1955 der Vorsitzende der Christlichen Volkspartei, Johannes Hoffman, der nach dem Kriege aus seinem Exil in Brasilien an die Saar zurückgekehrt war.
Anders als nach 1918 ergriff Frankreich nun zahlreiche Maßnahmen, um die Saarländer der französischen Einflussnahme gegenüber wohl zu stimmen. Hierzu zählen die Gründungen der Universität des Saarlandes, der Musikhochschule, der „Schule für Kunst und Handwerk“ , des Saarländischen Rundfunks, einer eigenen Saarmesse, die Auftritte zahlreicher französischer Künstler im Saarland und die Setzung von architektonischen Akzenten wie etwa durch den Pingusson-Bau in Saarbrücken. Zudem unterstrich die Teilnahme von Saar-Nationalmannschaften an internationalen Sportwettbewerben die Eigenstaatlichkeit des Saarlandes.
Erfreute sich der Saarstaat anfangs durchaus der Zustimmung durch die Bevölkerung, so wuchs mit der Zeit doch die Opposition gegen die ausgeprägte Frankreichorientierung. Dabei zeigte der Staat nun zunehmend auch seine dunkle Seite. Parteien, Gewerkschaften und Zeitungen, die sich gegen die Kernbestimmungen der Verfassung – Abtrennung von Deutschland, wirtschaftlicher Anschluss an Frankreich – wandten, wurden verboten, ihre Exponenten Repressalien ausgesetzt. Dies brachte den Staat in wachsendem Maße nicht nur bei seiner Bevölkerung, sondern auch in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit in Misskredit, wo die Verhältnisse im Saarland sogar mit denen in der DDR verglichen wurden.

Saarstatut und Volksabstimmung 1955 - Das Ende eines Experiments

Die Frage um die Zukunft des Saarlandes war zwischen der Bundesrepublik und Frankreich alles andere als klar. Sie belastete das deutsch-französische Verhältnis und stand einer Fortentwicklung der europäischen Einigung im Weg. Robert Schuman, der französische Außenminister, schlug daher 1952 die Europäisierung der Saar vor. Ergebnis der Verhandlungen zwischen Konrad Adenauer und Pierre Mendès France war als Teil der Pariser Verträge von 1954 das Saarstatut. Es sah vor, das Saarland der Leitung eines Kommissars der Westeuropäischen Union bis zu einem Friedensvertrag zu unterstellen. Saarbrücken begann bereits mit Planungen eines umfassenden städtebaulichen Ausbaus zur europäischen Hauptstadt. Die Bevölkerung sollte in einer Abstimmung am 23.10.1955 über die Annahme des Statuts befinden.

Unterzeichnung Pariser Verträge Unterzeichnung Pariser Verträge
Der französische Premierminister Pierre Mendès France und Bundeskanzler Konrad Adenauer nach der Unterzeichnung der Pariser Verträge. Foto: Landesarchiv des Saarlandes


In einem heftig geführten Wahlkampf zeigte sich, dass die Saarländer über diese Frage zutiefst gespalten waren. Die Befürworter des Statuts, die „Ja-Sager“, sammelten sich in der CVP und SPS. Sie traten für das Statut mit der Europäisierung der Saar ein. Demgegenüber bildete sich der „Heimatbund“. Sie vertraten die „Nein-Sager“, politisch vertreten von der Demokratischen Partei Saar mit Heinrich Schneider, der Christlich Demokratischen Union mit Hubert Ney und der Deutschen Sozialdemokratischen Partei mit Kurt Conrad an der Spitze. Sie lehnten die Loslösung von Deutschland strikt ab. Erst drei Monate vor der Abstimmung wurden sie offiziell zugelassen und agierten davor im Untergrund. Die Kommunistische Partei des Saarlandes lehnte das Statut ebenfalls ab.
Die Abstimmung brachte ein eindeutiges Ergebnis: 67,7 Prozent votierten gegen das Statut. Hoffmann trat daraufhin als Ministerpräsident zurück. Die Ablehnung wurde als Wille der Saarländer zur Rückkehr nach Deutschland interpretiert.

Das elfte Bundesland der Bundesrepublik - Die kleine Wiedervereinigung

Da das Saarstatut keine Regelung für den Fall der Ablehnung enthielt, mussten neue Verhandlungen zur Zukunft des Saarlandes aufgenommen werden. Diese führten schließlich zum Luxemburger Vertrag, der den politischen Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik zum 1.1.1957 vorsah. Dafür machte die Bundesrepublik Frankreich weitreichende Zugeständnissen in Form der Mitfinanzierung der Moselkanalisierung von Thionville bis Koblenz und großzügiger Bezugs- und Nutzungsrechte an den saarländischen Kohlevorkommen. Zudem sollte der wirtschaftliche Anschluss an die Bundesrepublik erst nach einer mehrjährigen Übergangszeit erfolgen. Der streng geheim gehaltene „Tag X“ kam schließlich am 6.7.1959 und löste im Saarland den französischen Franc durch die D-Mark ab.
Für die Saarländer vollzog sich die Rückgliederung allerdings längst nicht in allen Beziehungen als vorteilhaft. Die hohen, an das französische System angelehnten Sozialstandards mussten den eher leistungsbezogenen Standards der Bundesrepublik weichen. Auch erwies sich die saarländische Wirtschaft als längst nicht reif für den bundesrepublikanischen Wettbewerb, so dass trotz von Bundes- und Landesregierung gewährter Investitionshilfen und einer Ermäßigung der Einkommens- und Körperschaftssteuer um 15 Prozent 125 saarländische Firmen diesen schwierigen Übergang nicht überlebten und schon kurze Zeit nach dem Beitritt ca. 5.000 Arbeitsplätze verloren gingen.
Dennoch bleibt die Rückgliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland ein in mehrfacher Hinsicht richtungsweisendes Ereignis. Zum einen obsiegte in diesem Prozess die Kraft der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich über alle Widerstände. Bis heute rechnen es die Saarländer den Franzosen hoch an, dass sie den Bevölkerungswillen im Saarland anerkannten und dem Beitritt des Saarlandes in die Bundesrepublik zustimmten. Hier zeigte sich erstmals wirkungsvoll die neue Dimension einer europäischen Innenpolitik, die allmählich die traditionelle Außenpolitik überlagern sollte. Zum andern wies die „kleine Wiedervereinigung“ im Westen den Weg für die große Wiedervereinigung im Osten. Artikel 23 des Grundgesetzes, über den im Jahre 1990 die ostdeutschen Bundesländer zum Geltungsbereich des Grundgesetzes beitraten, fand zum ersten Mal Anwendung beim Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland.

Zwischen Krise und Strukturwandel - Ein Bundesland erfindet sich neu

Politisch gelang es den Saarländern, die Turbulenzen der fünfziger Jahre gut zu verarbeiten. Die Gräben zwischen „Ja- und Nein-Sagern“ wurden schnell überwunden, und gegenüber dem französischen Nachbarn entwickelte sich schon bald ein herzliches vertrauensvolles Verhältnis. Bis heute sieht sich das Saarland als das Bundesland, das Frankreich nicht nur geografisch, sondern auch mental am nächsten steht und von daher eine besondere Verantwortung für die Fortentwicklung der deutsch-französischen Freundschaft und das Zusammenwachsen der Großregion SaarLorLux empfindet.
Ökonomisch war das Saarland jedoch lange Jahre immer wieder von Krisen heimgesucht, die – keineswegs hausgemacht – bis in die Gegenwart hineinwirken: Zunächst der verspätete Beitritt mit seinen Übergangslasten; in den sechziger Jahren die Kohlekrise, die innerhalb weniger Jahre die Zahl der Arbeitsplätze im Bergbau auf 30.000 halbierte; in den siebziger Jahren die Stahlkrise mit zwei Drittel Arbeitsplatzverlusten innerhalb einer Dekade und mit gigantischen finanziellen Stützungsmaßnahmen, die zum größten Teil vom Landeshaushalt getragen werden mussten und maßgebliche Ursache für die bis heute bestehende Haushaltsnotlage sind. Dennoch schafften es die Saarländer, sich immer wieder umzuorientieren und die Krisen zu meistern. „Die Saarländer reagierten auf die Veränderung der Rahmenbedingungen flexibel, passten sich an und ergriffen neue Chancen, wo immer sie sich ihnen boten.“, so der Historiker Wilfried Loth.
Der Strukturwandel, bereits in den 1960er Jahren in Angriff genommen, begleitete das Saarland fortan bis in unsere Tage. Das allmähliche Auslaufen des Steinkohlebergbaus wurde gezielt flankiert von der erfolgreichen Restrukturierung der Stahlindustrie, der Ansiedlung neuer Unternehmen mit dem Schwerpunkt auf der Automobilindustrie und der Erschließung neuer Wirtschaftszweige wie etwa im Bereich des Tourismus. Gleichzeitig gelang der Aufbau einer hochexzellenten Forschungslandschaft an den und um die Hochschulen, die weltweit beachtete Spitzenleistungen vor allem in den Bereichen Informatik, Nano-Bio-Technologie, Medizintechnologie und Materialwissenschaften hervorbringt und mit einem pulsierenden Technologietransfer bis in die mittelständische Wirtschaft hineinwirkt.
Auf diese Art hat sich das Saarland vom krisengeschüttelten Montanrevier zu einer modernen Industrieregion von hoher Produktivität, mit überdurchschnittlichem Exportanteil und ansehnlichen Wachstumsraten entwickelt. Das Saarland gehört zu den führenden Automobilzuliefererregionen in Deutschland, bietet Arbeitsplätze für zahlreiche Pendler aus Lothringen und Rheinland-Pfalz und rangiert bei der Wirtschaftsleistung pro Kopf auf dem siebten Platz im Bundesländervergleich.
Das Saarland hat sich neu erfunden als erfolgreiches und zukunftsfähiges deutsches Bundesland im Herzen Europas.