Stadtentwicklung im Saarland
Das Saarland war bis zum 19. Jahrhundert in seinem Siedlungsgefüge überwiegend ländlich geprägt. Anfang des 19. Jahrhunderts setzte im Saarland die Industrialisierung ein, die ab 1840 mit dem Bau der Eisenbahn einen enormen Aufschwung erlebte. Die Industrialisierung konzentrierte sich dabei auf die Standorte der Kohlegewinnung und der Stahlproduktion, was noch heute in der Siedlungsstruktur als Verdichtungsraum im Dreieck Dillingen –Saarbrücken – Neunkirchen deutlich erkennbar ist.
Die Neuansiedlung der Arbeitskräfte erfolgte in dieser Zeit vor allem in den Dörfern der Saar-Seitentäler und entlang der traditionellen Verkehrsverbindungen südlich und nördlich des Saarkohlenwaldes. Die Dörfer im Verdichtungsraum wandelten sich zu Wohnsiedlungen – meist in Form ausgedehnter Straßendörfer.
Die Kohlengruben und die großen Industriebetriebe der Gründerzeit hatten ein großes Interesse daran, ihre Arbeiter und Arbeiterinnen vor Ort zu binden. Aus diesem Grund wurde der Bau von Eigenheimen der Arbeitskräfte finanziell gefördert (sogenannte Arbeiter- beziehungsweise Prämienhäuser), wodurch ein wichtiger Beitrag zum hohen Anteil an Ein- und Zweifamilienhäusern im Eigentum im Saarland geleistet wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Hauptaufgabe im Wiederaufbau und in der Wohnraumbeschaffung. Vorrangige Aufgabe des Bauwesens war die Beseitigung von Trümmern, die Ausführung sparsamster Reparaturen und die Schaffung von Behelfswohnungen. Im Auftrag der französischen Militärregierung legten die Planer Roux, Pingusson, Sive, Menkès und Lefèvre einen Generalplan für den Wiederaufbau im Saarland vor. Dieser sah für die Städte Neunkirchen, Saarbrücken und Saarlouis eine radikale Modernisierung der Stadtstrukturen vor. Die Durchführung der Planung scheiterte jedoch an der Großräumigkeit der Konzeptionen, an den mangelnden finanziellen Möglichkeiten und vor allem am Widerstand der Bevölkerung, da zur Realisierung große Eingriffe in das Privatrecht notwendig gewesen wären. Um den Wiederaufbau und die weitere städtebauliche Entwicklung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, beschloss der Landtag 1948 das „Gesetz über Planung und Städtebau im Saarland“.
Bis 1960 war die Wiederaufbauphase weitgehend abgeschlossen. Es folgte eine dynamische Phase der Stadtentwicklung, wobei in den Ortskernen großflächige Geschäfts- und Verkehrsbauten die alten Strukturen stark veränderten. Zwar wurden im Saarland nicht wie in anderen Bundesländern ganze Stadtviertel flächensaniert, doch mussten beispielsweise in Völklingen und Dillingen viele alte Gebäude weichen, um neuen Verwaltungsbauten, Kaufhäusern und Straßen Platz zu machen. Der erhöhte Siedlungsflächenbedarf wurde von den saarländischen Städten und Gemeinden durch die Ausweisung und Erschließung neuer Siedlungsflächen an den Stadt- und Ortsrändern gedeckt.
In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre setzte eine Wandlung in den Vorstellungen für Wohnungsbau und Städtebaupolitik ein, da die Folgen der bisherigen Entwicklung sichtbar wurden: die großflächigen Siedlungen an den Stadtperipherien führten zu einer Entleerung der Stadt- bzw. Ortskerne. In dieser Situation wurde die Notwendigkeit städtebaulicher Sanierung in den alten Kernen erkannt. Als rechtliches Instrumentarium trat 1971 bundesweit das Städtebauförderungsgesetz in Kraft. Mit der saarländischen Gebiets- und Verwaltungsreform 1974 wurden zudem leistungsfähigere Gemeinden, d.h. mit verbesserten Gebietszuschnitten, geschaffen.
In den 1980er Jahren erfolgte ein Wandel der Leitvorstellungen der städtischen Erneuerung – von der Abrisssanierung hin zur behutsamen Stadterneuerung. Damit war ein deutlicher Bewusstseinswandel verbunden: städtebauliche Erneuerung erhebt nunmehr den Anspruch einer ganzheitlichen, interdisziplinären Betrachtung aller Lebenszusammenhänge. Belastungen jeglicher Art sind im Zuge der Sanierungsdurchführung zu reduzieren oder auszugleichen.
Seit Ende der 1990er Jahre bilden die sog. „Integrierten Stadtentwicklungskonzepte“ die Grundlage für eine behutsame Stadterneuerung. Sie gehen von einer ganzheitlichen Sichtweise aus und führen städtebauliche, wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte der Stadtentwicklung zusammen. Das Stadtentwicklungskonzept soll die Bedürfnisse aller Menschen der Stadt berücksichtigen und im Dialog mit ihnen entwickeln. Daher ist ein wichtiger Punkt bei der Erarbeitung und Fortführung der Konzepte die Akteurs- und Bürgerbeteiligung, da lokale Akteure sowie die Bürgerinnen und Bürger „Experten“ ihrer Lebenswelt sind. Mit Hilfe dieser Konzepte können die Kommunen ihre Entwicklungsstrategien auf die vorhandenen Stärken ausrichten und die unterschiedlichen Maßnahmen räumlich, zeitlich und inhaltlich koordinieren. Auf gesamtstädtischer Ebene wird dafür ein Städtebauliches Entwicklungskonzept (SEKO) bzw. für das Gemeindegebiet ein Gemeindeentwicklungskonzept (GEKO) erarbeitet. Das daraus abgeleitete integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) konkretisiert daraufhin die Aussagen des SEKOs bzw. GEKOs für ein näher zu untersuchendes Gebiet in der Kommune weiter aus. Dieses Konzept bezieht sich auf ein konkretes Gebiet und stimmt die teilräumlichen Planungen mit den übergeordneten räumlichen Ebenen (Gesamtstadt, Region) ab.
Um eine auf gemeinsamen Grundsätzen und Strategien beruhende europäische Stadtentwicklungspolitik zu etablieren, wurde 2007 die „Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ unter Mitwirkung der für die Stadtentwicklung zuständigen Ministerinnen und Minister der EU-Mitgliedstaaten erarbeitet. Ziel der „Leipzig-Charta“ und ihrer Fortschreibung 2020 als „Neue Leipzig Charta“ ist es, unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung die Städte zu schützen, zu stärken und weiter zu entwickeln. Die saarländische Stadtentwicklungspolitik orientiert sich ganz wesentlich an diesen Prinzipien.
Kontakt
Ministerium für Inneres, Bauen und Sport
Referat OBB14 – Stadtentwicklung, Städtebauförderung, EU-Fonds
Cordula Uhlig-Riedinger
Referatsleiterin
Halbergstraße 50
66121 Saarbrücken