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Landgericht Saarbrücken weist Klagen gegen Impfstoffhersteller ab

Die 16. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken hat heute mehrere Klagen gegen Hersteller von Impfstoffen gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2), das Auslöser der Infektionskrankheit COVID-19 ist, abgewiesen.

Die Kläger hatten jeweils geltend gemacht, durch die Impfung mit den von den jeweiligen Beklagten entwickelten und auf den Markt gebrachten mRNA-Impfstoffen teilweise erhebliche Gesundheitsschädigungen erlitten zu haben. Neben Ansprüchen auf Schmerzensgeld und Schadensersatz waren auch Ansprüche auf Auskunftserteilung, etwa über Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen sowie über bekannt gewordene Verdachtsfälle, Gegenstand der Klagen.

Die Beklagten hatten sich in den Prozessen im Wesentlichen auf ein sogenanntes positives Nutzen-Risiko-Verhältnis berufen. Darüber hinaus hatten die Beklagten bestritten, dass zwischen der Impfung und den vorgetragenen Beschwerden ein Ursachenzusammenhang bestehe.

Das Landgericht sieht in allen Fällen die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nicht als gegeben. Die Kammer weist in ihrer Begründung der Urteile darauf hin, dass eine Haftung nach dem Arzneimittelgesetz zunächst nur für Schäden in Betracht komme, die durch ein fehlerhaftes Arzneimittel entstanden sind. Dass die Impfstoffe der Beklagten fehlerhaft seien, hätten die Kläger aber nicht nachgewiesen. Die insoweit gebotene Nutzen-Risiko-Abwägung, die sich nicht am Einzelnen, sondern am gesamten durch den Impfstoff angesprochenen Adressatenkreis auszurichten habe, biete gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass bei den Impfstoffen der Beklagten ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis anzunehmen sei. Dies ergebe sich insbesondere aus den Feststellungen der europäischen Behörden über die Zulassung der Impfstoffe, die für die deutschen Gerichte bindend seien (Tatbestandswirkung), jedenfalls aber eine starke Indizwirkung hätten.

Eine Haftung aus dem Arzneimittelgesetz für Schäden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Kammer konnte sich insoweit nicht davon überzeugen, dass die Kläger sich nicht hätten impfen lassen, wenn in den Produktinformationen der Beklagten andere Informationen enthalten gewesen wären. Dies gelte auch deshalb, weil in den Gebrauchsinformationen der Beklagten durchaus erhebliche und schwere mögliche Nebenwirkungen wie etwa Myokarditis oder Perikarditis aufgeführt waren. Entscheidend sei dabei auf den damaligen Zeitpunkt über die Impfentscheidung abzustellen.

Auch ein Auskunftsanspruch nach § 84 AMG besteht nach Auffassung der Kammer nicht. Der Auskunftsanspruch nach dem Arzneimittelgesetz diene nämlich der Durchsetzung eines Anspruchs aus Arzneimittelhaftung, könne aber nicht gleichzeitig mit diesem Anspruch geltend gemacht werden.

Für eine sonstige Haftung aus Delikt sieht die Kammer mangels Verschuldens der Beklagten ebenfalls keine Grundlage.

Ob der Einsatz der Impfstoffe für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kläger ursächlich war, hat die Kammer insgesamt und ausdrücklich offengelassen.

Den Klägern steht gegen die Entscheidungen das Rechtsmittel der Berufung zum Saarländischen Oberlandesgericht zu.

Landgericht Saarbrücken, Urteile vom 22.05.2025 - 16 O 223/22, 16 O 48/23, 16 O 103/23, 16 O 112/23, 16 O 122/23, 16 O 138/23, 16 O 154/23, 16 O 64/24

 

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • 84 Arzneimittelgesetz (AMG) - Gefährdungshaftung

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn

1.

das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder

2.

der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

 

  • 84a Arzneimittelgesetz (AMG) - Auskunftsanspruch

(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, so kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 besteht, nicht erforderlich. Der Anspruch richtet sich auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können.

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