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Quartiersbezogene Armutsbekämpfung

Allgemeine Informationen

Die inneren sozio-ökonomischen Strukturen von Gemeinden und Städten verändern sich mit der Zeit, sodass sich die Sozialräume immer stärker differenzieren. So gibt es innerhalb von Städten und Gemeinden oftmals große Unterschiede, die sich auf die Lebensbedingungen, Teilhabechancen und Handlungsperspektiven auswirken. Folge davon ist, dass sich auch Quartiere herausgebildet haben, in denen überwiegend Menschen leben, die von Armut betroffen oder bedroht sind.

Der Ansatz zur Reduzierung von Armutsrisiken und -folgen sowie zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist die Quartiersbezogene Armutsbekämpfung – ein Ausgangspunkt für zahlreiche Maßnahmen zur Armutsbekämpfung bzw. zur Bewältigung akuter Auswirkungen von Armut im Alltag der Betroffenen. Die Quartiersbezogene Armutsbekämpfung ist ein ganzheitlicher, ressort- und ebenenübergreifender Ansatz, welcher im Saarland umgesetzt wird, und einen innovativen und neuen Ansatz und somit ein bisher einzigartiges Modell darstellt. Denn bisher wurden Quartiere gebildet, in denen Teilbereiche der Armutspolitik oder konkrete Personengruppen in den Blick genommen wurden, nicht aber eine Bekämpfung der Armut sowie deren Folgen über alle Politikfelder hinweg. Denn im Saarland wird nun durch den ressortübergreifenden Ansatz und das Zusammenwirken von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Wirtschafts-sowie Familien- und Bildungspolitik ebenso wie Mobilitäts-, Umwelt- und Wohnpolitik die Armut ganzheitlich, zielgruppenspezifisch und nachhaltig betrachtet.

Zusätzlich wird auch ein ebenenübergreifender Ansatz verfolgt, denn der Ansatz der Quartiersbezogenen Armutsbekämpfung setzt neben der ressortübergreifenden Vernetzung auch auf eine Vernetzung aller politischen Ebenen mit den vorhandenen zivilen Akteurinnen und Akteuren, externen Fachkräften aus Wissenschaft und Praxis sowie der betroffenen Bevölkerung. Nur im Zusammenspiel aller Akteurinnen und Akteure können maßgebliche Verbesserungen für benachteiligte Quartiere erreicht werden. Im Vordergrund steht dabei die Entwicklung von zielorientierten Strategien sowie der Aufbau von nachhaltigen Strukturen, um eine spürbare Entwicklung in den Quartieren anzustoßen, den betroffenen Menschen vor Ort wieder eine klare Perspektive zu bieten und Trendwenden bewirken zu können.

Durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit wurde eine Gesamtkonzeption zum Vorhaben der Quartiersbezogenen Armutsbekämpfung im Saarland erstellt. Als formelles Planungsinstrument wurde in diesem, ausgehend von einer Analyse zur Armutsentwicklung in Deutschland und saarlandspezifischen Indikatoren, auch Zielsetzungen und Maßnahmenplanungen in dem Vorhaben zusammengefasst.

Zunächst wird der Ansatz der Quartiersbezogenen Armutsbekämpfung auf Basis der Erkenntnisse über die saarländischen Quartiere in drei Perspektivquartieren begonnen. Im Saarland sind insbesondere ehemalige Hütten- und Bergbaustandorte die Stadtteile, die besonders stark von Armut betroffen oder bedroht sind. Auf Basis der Erkenntnisse über die saarländischen Quartiere wurden zunächst drei Perspektivquartiere ausgewählt, in denen der Prozess begonnen wird – Neunkirchen, Saarbrücken-Burbach und Völklingen. Diese Quartiere werden als Perspektivquartiere bezeichnet, da sie zum einen für ihre Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für die anderen Quartiere im Saarland eine Perspektive aufzeigen sollen. Der gesamte, über einen Zeitraum von zehn Jahren laufende, Prozess der Quartiersbezogenen Armutsbekämpfung in den drei Quartieren soll evaluiert werden, um insbesondere die Wirkung der Maßnahmen und Projekte zu messen sowie die Akzeptanz der Betroffenen zu identifizieren. Danach sollen Erkenntnisse aus den einzelnen quartiersbezogenen Ansätzen landesweit, auf weitere armutsbetroffene und von Armut gefährdeten Quartieren, übertragen werden.

Um das vielseitige Thema Armutsbekämpfung und -prävention in vielen Politikfeldern mitzudenken sowie einen ganzheitlichen Blick auf die Thematik zu ermöglichen, wurde auf Landesebene mit einer konstituierenden Sitzung am 8. Dezember 2022 durch Frau Staatssekretärin Altesleben die Interministerielle Arbeitsgruppe zur Quartiersbezogenen Armutsbekämpfung als zentrales landespolitisches Steuerungsgremium eingerichtet. Hier stimmen sich alle Ressorts der saarländischen Landesregierung sowie die Vertretung des Saarlandes beim Bund zusammen über das gemeinsame Vorgehen ab, priorisieren das Vorhaben der Quartiersbezogenen Armutsbekämpfung und bündeln einzelne Maßnahmen. Zur Erweiterung der interministeriellen Perspektive wurden ab der vierten Sitzung zusätzlich externe Fachkräfte aus der Wissenschaft und Praxis sowie seitens der Wohlfahrtsverbände in die Interministerielle Arbeitsgruppe eingebunden.

Wissenschaftliche Prozessbegleitung

Für eine theoretische und methodische Fundierung des Vorhabens der Quartiersbezogenen Armutsbekämpfung wird der Prozess in den ersten Jahren durch die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes im Rahmen eines partizipativ-orientierten Forschungsansatzes wissenschaftlich begleitet.

Handlungsleitend ist der Ansatz des Design Thinkings, welcher eine Sozialraum- und Bedarfsanalyse beinhaltet.

Auf der Grundlage der Sozialraumanalyse als Feldzugang, werden mittels unterschiedlicher Methoden (z.B. Rundgang mit der Gemeinwesenarbeit, Sammlung quantitativer Daten, Gesprächsrunden mit Expertinnen und Experten des Stadtteils etc.) Bedarfsgruppen identifiziert. Empathische Interviews mit zivilen Akteurinnen und Akteuren vor Ort und den Bewohnerinnen und Bewohnern der Quartiere dienen der Analyse der jeweiligen Bedarfe.  Die Interviews werden ausgewertet, sodass entsprechend der Bedarfe passgenaue Lösungen entwickelt werden können. Somit besteht der Ansatz darin, ein Verständnis für den Stadtteil und seine Bewohnerinnen und Bewohner zu erhalten, indem unabhängig von festgelegten Gebietsgrenzen die sozialen Beziehungen und sozialräumlichen Bezugspunkte der Bewohnerinnen und Bewohner im Vordergrund stehen. Aus den Ergebnissen der Analysen werden anschließend einzelne Maßnahmen herausgestellt, um die identifizierten Probleme anzugehen.

Die Implementation der quartiersspezifischen und passgenauen Maßnahmen und Lösungsansätze wird durch eine Prozessevaluation in den einzelnen Quartieren begleitet, um Prozesse bei Bedarf gegebenenfalls anpassen, nachsteuern oder neu planen zu können. Ein Vergleich der Quartiere sowie eine Gesamtevaluation des Prozesses erfolgt zum Ende des begleitenden Prozesses.