Bezugssysteme
Ein Bezugssystem ist das einer Vermessung zugrunde gelegte geodätische System (Lage/Position/Höhe/Schwere). Es ist eine Erweiterung des Begriffs Koordinatensystem und umfasst die Festlegung zusätzlicher Größen, z.B. ein an das Koordinatensystem gekoppeltes Bezugsellipsoid und dessen Bestimmungsgrößen, ein Modellschwerefeld und dessen Definitionsparameter, eine Zeitdefinition usw. Das Bezugssystem wird auch als Referenzsystem bezeichnet.
Die Bedeutung einheitlicher Bezugssysteme steigt mit der zunehmenden Anwendung von raumbezogenen Informationen und den damit verbundenen, wachsenden Datenbeständen.
Die Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) hat deshalb die Verwendung der nachfolgend aufgeführten Bezugssysteme beschlossen:
- ETRS89/DREF91 – Realisierung 2016
- Deutsches Haupthöhennetz 2016 (DHHN2016)
- Deutsches Schweregrundnetz 2016 (DSGN2016)
- Deutsches Hauptschwerenetz 2016 (DHSN2016)
European Terrestrial Reference System 1989
Das Europäische Terrestrische Referenzsystem 1989 (ETRS 89) ist die europäische Umsetzung des Internationalen Terrestrischen Referenzsystems (ITRS). Das Geodätische Datum des ETRS 89 ist an die Lage der europäischen Platte im ITRF 89 (International Terrestrial Reference Frame) gebunden. Die Subkommission EUREF der International Association for Geodesy (IAG) für Europa realisiert das ETRS 89 mit dem Europäischen Permanentstationsnetz (EPN). Das ETRS 89 ist ein dreidimensionales geozentrisches Bezugssystem.
Für den praktischen Gebrauch werden im Datum ETRS 89 sowohl dreidimensionale kartesische Koordinaten als auch ellipsoidische- und verebnete UTM-Koordinaten mit ellipsoidischen Höhen bereitgestellt.
Als Bezugsellipsoid für das ETRS 89 ist das von der Internationalen Union für Geodäsie und Geophysik (IUGG) empfohlene Geodätische Referenzsystem 1980 (GRS 80) vereinbart. Es hat die folgenden geometrischen Parameter:
Große Halbachse a = 6 378 137,0 m
Abplattung f = 1 : 298,257 222 101
Die UTM-Koordinaten sind durch folgende Konventionen definiert:
- Transversale Mercatorabbildung in Bezug auf das GRS 80-Ellipsoid
- Rechtwinklig kartesische Koordinaten in 6° breiten Meridianstreifen
- Mittelmeridian im Saarland: 9° (Zone 32) östlich Greenwich
- Der Maßstabsfaktor des Mittelmeridians beträgt 0,9996
- Die Abszissenachse erhält den Ordinatenwert 500 000 m
- Die Ordinate wird als Ostwert E (East), die Abszisse als Nordwert N (North) bezeichnet
Deutsches Haupthöhennetz 2016
Das Höhensystem in Deutschland wird durch das Deutsche Haupthöhennetzes 2016 (DHHN2016) realisiert. Die Nivellements zum Aufbau des DHHN2016, die eine Gesamtlänge von 30000 km erreichten, wurden im Zeitraum von 2006 bis 2012 durchgeführt.
Aus 987 Niv-Linien konnten 311 Niv-Schleifen, mit 677 Kontenpunkten gebildet werden. Die mittlere Redundanz des Netzes liegt damit etwa bei 0,32. Keine der Schleifen überschreitet den zulässigen Grenzwert für den Schleifenschluss (74% im ersten Drittel; 24% im zweiten Drittel; 2% im dritten Drittel). Die Qualität der Messdaten zeigt sich in Strecken- und Schleifenwidersprüchen, sowie in der Standardabweichung der Ausgleichung für den mittleren Kilometer mit 0,64 mm (Varianzkomponentenschätzung S0 für das Teilnetz Saarland 0,33 mm) und des Widerspruchs für die Umringsschleife von 5350 km mit 13,3 mm bei einem zulässigen Schleifenschlussfehler von 146 mm.
Die Systemfestlegungen, die dem DHHN92 zugrunde liegen, wurden ohne Änderung für den neuen Höhenbezugsrahmen übernommen. Das geodätische Datum für das neue Höhenreferenzsystem wird durch den Nullpunkt des Amsterdamer Pegels (Normaal Amsterdams Peil, NAP) festgelegt. NAP entspricht dem mittleren Tidehochwasser in Amsterdam zur Epoche 1683 – 1684. Die physikalischen Höhen werden als Normalhöhen, nach der Theorie von Molodenski bestimmt. Für die Berechnung der Normalschwere werden Parameter des GRS80 verwendet. Als System für die Festerdgezeiten findet weiterhin das „mean tide“- System Verwendung. Bei der Behebung des Datumsdefektes weicht das DHHN2016 vom DHHN92 ab. Beim DHHN92 wurde nur die Höhe eines einzelnen Datumspunktes verwendet, im Gegensatz hierzu gehen in die Ausgleichung des DHHN2016 72 Datumspunkte ein. Es sind dies 7 Landesnivellementhauptpunkte, 3 GNSS-Permanentstationen und 62 Geodätische Grundnetzpunkte. Die Höhe dieser Punkte wurde vom DHHN92 abgeleitet. Die Ausgleichung in Bezug auf die Datumspunkte erfolgte zwangsfrei mit der Bedingung, dass die Summe der Höhenzuschläge aller Datumspunkte Null sein soll. An den Datumspunkten ergaben sich Höhenzuschläge von -35 mm bis +35 mm zu den Höhen im DHHN92. Am Datumspunkt des DHHN92, Kirche Wallenhorst ergab sich eine Höhenwertänderung von 1,7 mm.
Ein weiterer Unterschied zum DHHN92 besteht in der Behandlung des variablen Anteils der Festerdgezeiten. Die Beobachtungdaten des DHHN92 wurden durch keinerlei Gezeitenwerte korrigiert, so dass sich für das DHHN92 die Höhen genähert im „mean tide“-System ergaben. Dagegen wurden die in der Epoche 2006 – 2012 ermittelten Höhenunterschiede mit Festerdgezeitenwerten im „mean tide“-System für den Zeitpunkt der Beobachtung korrigiert. Durch die Berücksichtigung der Korrektion ergab sich eine kleine Verbesserung in der Standardabweichung der Ausgleichung. Die Höhen der Festpunkte unterscheiden sich um bis zu 3 mm von einer entsprechenden Ausgleichung ohne Gezeitenkorrektion. Für die norddeutschen Küstenländer wurde auch die Wirkung der Ozeangezeitenauflast auf die Nivellementbeobachtungen berücksichtigt. Die entsprechenden Höhen mit und ohne Korrektion unterscheiden sich hier um 0,5 mm bis zu 1 mm.
Die Ausgleichung und Berechnung der Normalhöhen wurde unabhängig in zwei Rechenstellen ausgeführt. In der Rechenstelle der Bezirksregierung Köln wurden Höhenunterschiede mit Normalhöhenkorrektion ausgeglichen. In der Rechenstelle des BKG wurden Geopotentialunterschiede ausgeglichen und anschließend aus den geopotentiellen Koten Normalhöhen berechnet. Zwischen beiden Ergebnissen ergaben sich nur geringe Differenzen. So stimmen 92% der Knotenpunkthöhen auf unter 0,05 mm überein, die maximalen Differenzen lagen zwischen -0,13 mm und +0,11 mm.
Höhen im DHHN2016 werden als Höhen über Normalhöhennull (NHN) bezeichnet.
Deutsches Schweregrundnetz 2016 (DSGN2016) - Deutsches Hautschwerenetz 2016 (DHSN2016)
Für Zwecke der Metrologie, Kalibrierung, gravimetrische Prospektionsaufgaben, als Referenzwerte für nachgeordnete Messungen, für die Bestimmung von zeitlichen Änderungen, sind punktbezogene Schwerewerte an der Erdoberfläche erforderlich und damit ist weiterhin die terrestrische Gravimetrie und dazu die Anlage von Schwerereferenznetzen erforderlich. Aus Satellitenbeobachtungen lassen sich lediglich mittlere Schwerewerte bzw. Schwereanomalien ableiten.
Die für die Schwerefestpunkte ausgewiesenen Schwerewerte stellen jeweils den Betrag der Schwerebeschleunigung im Erdschwerefeld dar. Die Maßeinheit der Schwere ist m /s². Vom BKG werden gravimetrische Arbeiten ausgeführt, um langfristig einen präzisen und einheitlichen Schwerestandard für die Bundesrepublik Deutschland zu realisieren und aufrecht zu erhalten. Das Deutsche Schwerereferenzsystem wird durch regelmäßige Absolutschweremessungen in Kombination mit Dauerregistrierungen der supraleitenden Gravimeter in Wettzel, Bad Homburg und Moxa (Uni Jena) in Niveau und Maßstab abgesichert.
Daneben finden Schweremessungen zur Absicherung des internationalen Schwerestandards und zur Einbindung in das globale Referenzsystem statt.
Absolutgravimetermessungen vervollständigen die geodätischen Bezugssysteme durch den Aufbau eines absoluten gravimetrischen Standards in einem erdgebundenen Referenzsystem.
Deutsches Schweregrundnetz 2016 (DSGN2016)
Das DSGN2016 ist ein Absolutschwerenetz höchster Genauigkeit, es legt das Datum für alle übrigen Netze fest. Es besteht aus 30 Stationen mit jeweils mindestens zwei Exzentren, alle Punktfestlegungen befinden sich im Inneren von öffentlichen Gebäuden. Dadurch ist es möglich auf den Punktzentren mit einem hochempfindlichen Absolutgravimeter (Labor-Gerät) zu messen, welches den technischen Entwicklungsstand auf dem Gebiet absoluter Schweremessungen repräsentiert. Das FG5-Absolutgravimeter wird zu Überwachungs- und Wiederholungsmessungen auf Stationen des DSGN2016 und an den GREF-Stationen eingesetzt. Mit dem Absolutgravimeter FG5 (Hersteller „Micro-G LaCoste Inc.“ USA) lassen sich unter günstigen Umgebungsbedingungen Messgenauigkeiten von ±20…30 * 10-8 m/s² erreichen.
Die Bestimmung und Überwachung des DSGN2016 mit der Methodik der Absolutgravimetrie hat folgende Vorteile:
- der Schweremesswert der jeweiligen Station wird direkt bestimmt und bezieht sich auf ein einheitliches internationales Datum,
- das internationale Datum wird durch die Definition der physikalischen Standards und zusätzlich im Rahmen von internationalen Vergleichsmessungen durch die Gesamtheit der derzeit weltweit im Einsatz befindlichen Absolutgravimeter (Vergleiche der FG5-Absolutgravimeter in Paris (BIPM), Walferdange (Luxemburg)) festgelegt,
- die Bestimmungsgenauigkeit innerhalb des regionalen oder nationalen Schwerenetzes ist nicht mehr von Netzgeometrien, Verknüpfungsgraden und der Anbindung an Referenzstationen wie bei der Relativgravimetrie abhängig.
Von der AdV wurde dem BKG die Verantwortung für die Überprüfung und Laufendhaltung des DSGN2016 bis zu dessen nächster Neubeobachtung übertragen.
Deutsches Hauptschwerenetz 2016 (DHSN2016)
Die Aufgabe des Deutschen Hauptschwerenetzes besteht darin, Niveau und Maßstab für die Schweremessung über große Gebiete hin vorzugeben und zu sichern. Diese Schweredatenbasis wurde kontinuierlich durch Absolutschweremessungen ergänzt und validiert. Die neue Realisierung heißt Deutsches Hauptschwerenetz 2016 (DHSN2016) und ersetzt das DHSN96 bei gleichbleibendem Schwereniveau.
Die Messungen erfolgten mit dem feldtauglichen Absolutgravimeter A 10 (Hersteller „Micro-G LaCoste Inc.“ USA). Das Freifallgravimeter A 10 setzt das im FG5 realisierte Messprinzip um, wobei es im Aufbau deutlich kompakter und robuster ist. Die Standardabweichung für eine Schwerebestimmung mit dem A 10 bei 10 bis 60 Minuten Messdauer wird vom Hersteller mit ca. ±100 * 10-8 m/s² angegeben.
Zur Sicherung des Qualitätsstandards wurde vor und nach jeder Messkampagne eine Kontrollmessung auf der gravimetrischen Referenzstation des BKG in Bad Homburg durchgeführt. Mit der zusätzlichen Prüfung der zeitlich veränderlichen instrumentellen Parameter (stabilisierter Laser, Rubidiumnormal) ist gewährleistet, dass jede A 10 Messkampagne mit den aktuell gültigen Werten für Längen- und Zeitnormal durchgeführt wurde.
Zeitlich werden drei Messkampagnen unterschieden:
- 2009 – 2011 im Rahmen der Erneuerung des DHHN werden im Auftrag der AdV Absolutschweremessungen auf 100 Geodätischen Grundnetzpunkten durchgeführt. Im gleichen Zeitraum wurden von den Ländern beauftragte Zusatzmessungen für eine ähnlich große Anzahl von GGP vorgenommen, die
- ab 2012 noch durch weitere Zusatzmessungen ergänzt wurden – Erwartung, dass für 90 % der 250 GGP Absolutschwerewerte vorliegen.
- 2006 – 2008 waren im Rahmen des Projektes COCE-GRAND II auf weiteren 94 Punkten des DHSN96 Absolutschweremessungen zur Überprüfung vorhandener deutscher Schweredaten durchgeführt worden.
Im Land- und Meeresbereich wurden zur Schließung von Datenlücken flächenhafte Relativschweremessungen integriert.
Durch die Hinzunahme der Absolutschwerewerte wurde die Homogenität des bisher im Anschluss an das Deutsche Schweregrundnetz durch Relativmessungen festgelegte Deutsche Hauptschwerenetz nicht gestört. Die erste Verdichtungsstufe des DHSN2016 wird überwiegend durch Absolutschwerepunkte gebildet, hingegen werden in den beiden weiteren, hierarchisch aufgebauten Verdichtungsstufen die SFP mit der Methode der kostengünstigeren und fast an jedem Punkt der Erdoberfläche einsetzbaren Relativgravimetrie bestimmt. Infolge der großen Dichte der Absolutschwerepunkte ergibt sich für die Schwerewerte der SFP der Verdichtungsstufen kaum noch ein Genauigkeitsverlust durch Fehlerfortpflanzung auf Grund einer ungünstigen Netzgeometrie.