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Historische Dahlien im Landesarchiv

Herbstliche Blütenpracht auf der Dachterrasse

Die Gartensaison auf der Dachterrasse des Landesarchivs geht bereits in ihr achtes Jahr. Dank einer großzügigen Spende des Fördervereins konnten in diesem Frühjahr neue Blumenkübel angeschafft werden. Besonders im Fokus stehen in diesem Jahr historische Dahlien. In der folgenden Bilderstrecke stellen wir Ihnen diese einzigartigen Pflanzen näher vor. Von unseren Archivbesuchern wird die Dachterrasse gerne für Pausen genutzt. Der kleine Garten mit Panoramablick über die Dächer der Stadt bietet dabei einen erholsamen Kontrast zur intensiven Recherchearbeit und macht den Aufenthalt im Landesarchiv zu einem besonderen Erlebnis.

Die Dahlie "White Aster", eine Pompon-Dahlie von William Dobbie aus dem Jahr 1879, ist die älteste Dahliensorte, die noch heute im Handel erhältlich ist. Sie ist ein typisches Beispiel für die Züchtungstrends ihrer Zeit. Pompon-Dahlien waren damals sehr beliebt vor allem wegen ihrer perfekt runden Blütenform mit dicht gepackten, kleinen Blütenblättern. Diese kompakte Form, zusammen mit der strahlend weißen Farbe der „White Aster“, entsprach dem viktorianischen Geschmack, der klare, harmonische Linien und Formen schätzte.

Im 19. Jahrhundert waren die Briten führend in der Züchtung neuer Pflanzensorten. Exotische Blumen wie Dahlien erfreuten sich nicht nur im eigenen Land großer Beliebtheit, sondern spielten auch eine wichtige Rolle im britischen Pflanzenexport. Die „White Aster“ ist ein schönes Beispiel für diesen Erfolg und die britische Gartenbaukunst jener Zeit.

Die Dahlie „Kaiser Wilhelm“ ist seit Jahren fester Bestandteil der Dahliensammlung des Landesarchivs.  Die sorgfältige Lagerung über den Winter – gut verpackt in ausgemusterten Archivkartons –  dankt sie mit reichlicher Blüte.

Das Bild zeigt die Dahlie Kaiser Wilhelm Kaiser Wilhelm
Diese Sorte aus dem Jahr 1881 ist die älteste noch gehandelte deutsche Dahlienzüchtung. Foto: Saarländisches Landesarchiv, jh

Diese Sorte aus dem Jahr 1881 ist die älteste noch gehandelte deutsche Dahlienzüchtung. Als „Kaiser Wilhelm“ gezüchtet wurde, befand sich Deutschland im späten 19. Jahrhundert in einer Phase des nationalen Stolzes und imperialen Aufschwungs. Der Name der Dahlie, „Kaiser Wilhelm“, verweist auf Kaiser Wilhelm I., der 1871 das Deutsche Kaiserreich gründete. Die Namenswahl betont das neue Nationalgefühl, das zu dieser Zeit verbreitet war. Viele Pflanzen wurden nach bedeutenden Persönlichkeiten oder nationalen Symbolen benannt, um den Stolz auf das Kaiserreich auszudrücken.

Das Besondere an dieser Sorte sind die kontrastreichen Farben, die sich deutlich von den damals üblichen, meist dezenten Züchtungen abheben. Sorten wie "Kaiser Wilhelm" und "Stolze von Berlin" waren eine deutsche Antwort auf die wachsende internationale Popularität von Dahlien, insbesondere im britischen und französischen Gartenbau. Züchter wie Deegen und Schwiglewski spielten eine bedeutende Rolle in der Weiterentwicklung und Kultivierung von Dahlien im 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Diese Erfolge zeigten sich schnell im Export, vor allem nach Europa und Nordamerika. Deutsche Sorten, ähnlich den britischen, wurden wegen ihrer Robustheit sowie ihrer auffälligen Farben und Formen zu Exportschlagern und fanden internationale Anerkennung bei Gartenliebhabern. Dadurch wurde Deutschland zu einem wichtigen Akteur im internationalen Pflanzenhandel.

Die Dahlie "Stolze von Berlin" aus dem Jahr 1884 (Schwiglewski) ist ebenfalls eine typische Vertreterin des jungen Deutschen Kaiserreichs. Ihr Name spiegelt den aufkeimenden Nationalstolz wider und ist typisch für die Namensgebung jener Epoche, in der lokale und nationale Symbole eine besondere Bedeutung hatten.

Als Pompondahlie besticht sie durch ihre perfekt kugelförmigen Blüten. Ihre Farbe, ein zartes Altrosé oder Silberrosa, erinnert an die legendäre "La France"-Rose, die zu jener Zeit besonders populär war. Dank ihrer Eleganz und langen Haltbarkeit eignet sie sich hervorragend zum Binden von Sträußen.

 

Die einfach blühende Dahlie „Sneezy“, die der holländische Züchter Groen 1941 auf den Markt brachte, ist ein interessantes Beispiel für den Zeitgeist der frühen 1940er Jahre. Diese Zeit war stark von den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs geprägt, und in der Pflanzenzucht spielte der Wunsch nach Schönheit und Einfachheit eine wichtige Rolle.

Die einfach blühende Dahlie „Sneezy“ Die einfach blühende Dahlie „Sneezy“
Die einfach blühende Dahlie „Sneezy“, die der holländische Züchter Groen 1941 auf den Markt brachte, ist ein interessantes Beispiel für den Zeitgeist der frühen 1940er Jahre. Foto: Saarländisches Landesarchiv, jh

In Zeiten von Mangel und Unsicherheit waren Pflanzen gefragt, die widerstandsfähig und pflegeleicht waren. Die „Sneezy“ war eine solche Pflanze: robust und unkompliziert im Anbau, was sie ideal für die eingeschränkten Möglichkeiten vieler Menschen während des Krieges machte.

Während des Krieges wurden Gärten oft notgedrungen zur Selbstversorgung angelegt. Blumen wie die „Sneezy“ passten perfekt zu dieser Situation. Es gab wenig Raum für Luxus, aber die kleine Blume fand selbst am Rande eines Gemüsegartens ihren Platz und brachte etwas Schönheit und Freude in den Alltag.

Benannt ist diese Sorte wahrscheinlich nach einem der Zwerge aus dem Disney-Film „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ von 1937. „Sneezy“ („Hatschi“), ist der Zwerg, der an Heuschnupfen leidet.

Die Dahlie „Arabian Night“ (Weijers, Niederlande), eine dekorative Dahlie, stammt aus dem Jahr 1951 und hat sich seitdem als eine der beliebtesten dunkelroten Sorten etabliert. In der Nachkriegszeit, als die „Arabian Night“ entstand, setzte sich ein Trend zu intensiveren und satteren Farben in der Pflanzenzucht durch.

Besonders dunkelrote bis fast schwarze Dahlien erregten großes Interesse bei Züchtern und Gartenliebhabern. Dunkle Farben wie tiefes Rot oder fast Schwarz galten in der Pflanzenzucht lange als selten und exotisch. Sie verliehen Pflanzen eine geheimnisvolle und ungewöhnliche Ausstrahlung, die viele Menschen faszinierte. Erst mit den Fortschritten in der Pflanzenzucht in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden solche Farben bei Dahlien möglich. Die tiefen, dramatischen Farbtöne wurden als besonders elegant und luxuriös wahrgenommen. Im Garten wirken sie edel und lassen sich hervorragend mit helleren Blumen kombinieren, was starke Kontraste schafft.

Gerade nach der Zeit des Wiederaufbaus sehnte man sich nach Schönheiten, die das Alltägliche überstiegen. Der Name ‚Arabian Night‘ spiegelt diese Sehnsucht nach Exotik und Außergewöhnlichem wider, die in den Gärten der Nachkriegszeit ihren Ausdruck fand.

Die eigenwillige „Alfred Grille“ stammt vom deutschen Züchter Ernst Severin und wurde 1963 eingeführt. Die Zeit der zurückhaltenden Farbtöne und kleinen, gefälligen Blüten war vorüber. Bereits in den Jahren zuvor hatten cremige Pastellfarben Einzug in die Mode gehalten, und in den beginnenden 1960er Jahren nahmen Gartenbau und Zucht zunehmend Einflüsse von Kunstströmungen wie der Pop Art auf – knallige, bunte Töne waren plötzlich gefragt.

Alfred Grille Alfred Grille
Die eigenwillige „Alfred Grille“ stammt vom deutschen Züchter Ernst Severin und wurde 1963 eingeführt. Foto: Saarländisches Landesarchiv, jh

Die Nachkriegszeit lag hinter den Menschen, das Wirtschaftswunder war in vollem Gange, und man suchte nach Ausdrucksformen, die Optimismus und Lebensfreude signalisierten. Auffällige Pflanzen wie die „Alfred Grille“ wurden zu einem Sinnbild dieser positiven Einstellung.

Die 1960er Jahre brachten auch bedeutende Fortschritte in der Pflanzenzucht. Züchter konnten gezielt mit neuen Farbkombinationen experimentieren und exotische, ungewöhnliche oder mehrfarbige Sorten erschaffen – etwas, das von den Konsumenten begeistert aufgenommen wurde. Der hohe Wuchs, die „zerstrubbelte“ Kaktusform der riesigen Blüten und die gewagte Farbkombination aus Lachsrosa und leuchtendem Gelb machten diese Pflanze zu einem Solitär im Blumenbeet. Benannt ist sie höchstwahrscheinlich nach einem Gärtner.